MoR 03 - Günstlinge der Götter
angewandt hast.
Vale von Morsimus.
Varro trommelte eine kleine Armee von Sklaven zusammen, deren erste Aufgabe darin bestand, eine Schafherde aufzutreiben. Nachdem das geschehen war, richtete er sich in einem Verschlag nahe dem Steinhaus ein, in dem Sulla wohnte. Höchstpersönlich inspizierte er jeden geschlachteten Kadaver, jede einzelne Niere, eilte zwischen großen, dampfenden Kesseln und unablässig schabenden Sklaven hin und her, prüfte hier die Temperatur des Wassers, dort das richtige Mischungsverhältnis und trieb die Sklaven mit seiner Sorgfalt, seiner Ungeduld und seinen ständigen Kritteleien bis an den Rand der Verzweiflung.
Hundert Schafe später (die Galle und das ausgelassene Fett stammten von nur zwei Schafen, aber die winzigen Mengen des weichen Fetts über den Nieren und die aus der Wolle gewonnene Substanz summierten sich nur langsam und mühevoll zu der notwendigen Menge) hielt Varro einen ansehnlichen Porphyrkrug voll Salbe in Händen. Die Sklaven, denen die hundert weitgehend vollständigen Kadaver köstlichsten Schaffleisches blieben, sahen sich mit der Aussicht auf ein Festmahl für ihre Mühen reichlich entlohnt.
Es war spät am Abend, und Sulla, so hatte sein Leibdiener Varro zugeflüstert, schlief auf der Liege in seinem Speisezimmer.
»Betrunken?«
»Ja, Marcus Terentius.«
»Nun, ich denke, das kommt uns zugute.«
Varro schlich sich auf Zehenspitzen in das Zimmer. Einen Moment lang blieb er stehen und sah auf die arme, gequälte Kreatur hinunter, die einstmals Sulla gewesen war. Die Perücke war heruntergefallen und lag mit der gazeartigen Innenseite nach oben da; Tausende von Haaren waren zu ihrer Herstellung notwendig gewesen, und jedes einzelne davon war sorgsam in die Gaze geknotet worden. Kopfschüttelnd betrachtete Varro die Perücke, seufzte, beugte sich vor und strich die Salbe mit größter Sorgfalt auf die wundgekratzten Stellen in Sullas Gesicht.
Sulla riß die Augen auf, und aus ihrem weintrüben Glanz blitzten Schmerz und Schrecken. Seine Lippen öffneten sich und gaben den Blick auf seinen zahnlosen Schlund frei, aber er brachte keinen Ton heraus.
»Es ist die Salbe, Lucius Cornelius«, flüsterte Varro. »Ich habe mich genau an das Rezept gehalten. Wirst du es ertragen, wenn ich sie auftrage?«
Tränen stiegen in Sullas Augen hoch und sammelten sich in seinen Augenhöhlen. Bevor die Tränen über Sullas wundes Gesicht laufen konnten, tupfte Varro sie mit einem weichen Tuch vorsichtig ab. Aber immer wieder quollen neue Tränen hervor und Varro mußte unablässig tupfen.
»Du darfst nicht weinen, Lucius Cornelius. Die Salbe kann nur auf die trockene Haut aufgetragen werden. Liege still und schließe die Augen.«
Sulla gehorchte, und bis auf ein paar unwillkürliche Zuckungen, wenn Varro sein Gesicht berührte, wehrte er sich nicht. Langsam entspannte er sich.
Schließlich war Varro fertig. Er nahm eine Lampe mit fünf Dochten und hielt sie über Sullas Gesicht, um seine Arbeit in Augenschein zu nehmen. Aus den offenen Stellen trat eine klare Flüssigkeit in dicken Tropfen aus, aber die Salbe schien immerhin die Blutungen gelindert zu haben.
»Du darfst dich nicht kratzen, Lucius Cornelius. Juckt es?«
»Ja, es juckt«, antwortete Sulla mit geschlossenen Augen. »Aber es war schon schlimmer. Binde meine Hände fest.«
»Ich komme in der Morgendämmerung wieder und schmiere dich wieder ein«, sagte Varro, während er Sullas Hände fesselte. »Wer weiß, vielleicht hat das Jucken bis dahin schon nachgelassen.« Auf Zehenspitzen schlich er hinaus.
Am anderen Morgen trug Varro erneut Salbe auf. Der Juckreiz war zwar immer noch da, aber Varros prüfendem Blick schien es, als habe Sullas Haut — wie sagte man? — sich beruhigt. Sulla bat, seine Hände gefesselt zu lassen, aber nach drei weiteren Behandlungen verkündete er, daß er die Fesseln nicht mehr brauche. Vier Tage später war der Juckreiz verschwunden.
»Das Zeug wirkt!« Mit der tiefen Befriedigung eines Arztes, der gegen alle Widerstände recht behalten hat (auch wenn Varro alles andere als ein Arzt war und auch gar keiner sein wollte), überbrachte er Metellus Pius und Pompeius die frohe Botschaft.
»Wird er im Frühjahr wieder ins Feld ziehen können?« fragte Pompeius.
»Noch vor dem Frühjahr, vorausgesetzt, die Wirkung der Salbe hält an«, erwiderte Varro und eilte weiter, um den Porphyrkrug in einen mit Schnee gefüllten Kasten zu stellen. So hielt sich die Salbe länger. Wie die ranzige
Weitere Kostenlose Bücher