MoR 03 - Günstlinge der Götter
nicht mehr für ihn kämpfen wollten. Statt dessen gingen seine acht Legionen geschlossen zu Sulla über.
Selbst als Sulla Scipio Asiagenus die Amtsinsignien des Konsuls wegnahm und ihn in Begleitung einiger Reiter fortjagte, war Scipio Asiagenus immer noch nicht imstande, die ausweglose Lage zu erkennen, in die Rom geraten war. In eitler Verblendung begab er sich nach Etruria und begann dort unter den zahlreichen Klienten des Gaius Marius eine neue Armee auszuheben.
»Er kapiert nicht einmal, daß er eine feierlich vereinbarte Waffenruhe gebrochen hat«, sagte Sulla verblüfft. »Ich weiß, mit den Scipionen geht es bergab, aber Scipio Asiagenus verdient nicht einmal diesen Namen. Wenn ich Rom erobere, lasse ich ihn hinrichten.«
»Das hättest du tun sollen, als du ihn in der Hand hattest«, bemerkte Metellus gereizt. »Er wird dir noch viel Ärger bereiten.«
»Nein, er ist wie ein Breiumschlag, den ich auf die Eiterbeule Etrurias lege: Ziehe das Gift heraus, solange du nur mit einem Gegner zu tun hast. Lasse aus einer Eiterbeule keinen Karbunkel werden!«
Das war unbestritten sehr weise, und Metellus Pius grinste. »Welch treffendes Bild!«
Der Sommer war noch lange nicht vorbei, aber dennoch hatte Sulla beschlossen, dieses Jahr nicht mehr weiterzuziehen. Nach Scipios Abgang wurden die beiden Lager näher zusammengelegt, und Sullas erfahrene Zenturionen nahmen sich die jungen und unerfahrenen Truppen vor, die bisher Carbo und Rom unterstanden hatten. Dabei war es eher die Angst vor Sullas Veteranen als die Freude über die Verbrüderung, die Scipios Legionären Beine machte. Bereits nach wenigen Tagen in Gesellschaft der Veteranen hatten sie einen Typus Soldat kennengelernt, der ihnen bisher unbekannt war — abgebrüht, kaltblütig, professionell. Ganz bestimmt kein Gegenüber, dem ein unerfahrener Rekrut auf dem Schlachtfeld begegnen wollte. Da war es ihnen bei weitem vorteilhafter erschienen zu desertieren.
Daß Sinuessa Aurunca unter dem Einfluß von Quintus Sertorius abfiel, war kaum mehr als ein Nadelstich. Sulla ließ die Stadt zwar belagern, aber nur, um Scipios Legionen Übung zu verschaffen und nicht, weil er die Stadt auszuhungern oder gegen ihre starken Festungswälle anzurennen gedachte. Er wollte sich in diesem Jahr auf keine Unternehmung mehr einlassen, die einen hohen Blutzoll forderte, und was konnte ihm Besseres passieren, als daß der so fähige Quintus Sertorius in Sinuessa festsaß? Dort eingeschlossen, nützte er Carbo nichts mehr, der ihn bestimmt sehr viel besser hätte einsetzen können.
Aus Sardinien kam die Nachricht, daß Philippus mit seinen spanischen Kohorten die Insel ohne Schwierigkeiten erobert und die gesamte Getreideernte nach Puteoli verschifft hatte. Die Schiffe begegneten unterwegs weder Kriegsgaleeren noch Piraten und trafen gerade zur rechten Zeit mit ihrer für Sulla bestimmten Fracht ein.
Der Winter begann in diesem Jahr früh und brachte eine ungewöhnliche Kälte. Um seine auf mehr als das Doppelte angeschwollene Armee zu verteilen, kommandierte Sulla jeweils einige Kohorten zur Belagerung von Capua, Sinuessa und Neapolis ab. Dadurch entlastete er die Gegend um Teanum von der Bürde, die gesamte Armee allein zu versorgen. Verres und Cethegus erwiesen sich als brauchbare Proviantmeister und entwickelten sogar eine Methode, mit der sie den im Adriatischen Meer gefangenen Fisch in Behältern mit festgepreßtem Schnee über lange Zeit hinweg frisch halten konnten. Die Soldaten begrüßten die Abwechslung auf dem Speiseplan, und die Feldärzte mußten mehr als einmal eine Gräte aus dem Hals eines röchelnden Legionärs ziehen.
Doch das kümmerte Sulla inzwischen schon nicht mehr. Er hatte an dem Wundschorf auf seinem verheilten Gesicht gekratzt, und das Jucken war wieder aufgetreten. Alle in seiner Umgebung hatten ihn angefleht, zu warten, bis der Schorf von alleine abfiel, aber sein rastloses Wesen hatte sich nicht in Geduld üben können. Wenn der Schorf lose hing, kratzte er so lange daran, bis er abfiel.
Die Krankheit brach erneut heftig aus und währte drei volle Monate lang. Varro, der sich um den Kranken kümmerte, vermutetete die Ursache dafür in dem kalten Wetter. Drei Monate lang trank Sulla ohne Maß, tobte, phantasierte, stöhnte und kratzte, brüllte und soff. Schließlich mußte Varro Sullas Hände fesseln, um ihn daran zu hindern, sich das Gesicht aufzukratzen. Ähnlich wie Odysseus, der sich an den Mast hatte binden lassen, um dem Gesang der
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