MoR 03 - Günstlinge der Götter
fünfzig Meilen, ohne wieder einen Hafen anzulaufen. Da die Pferde und Maultiere jedesmal an Land und zurück an Bord gebracht wurden, war das Ein- und Ausschiffen immer eine mit Lärm und Geschrei verbundene Nervenprobe.
Milet unterschied sich kaum von Smyrna, Pitane und dem anderen halben Dutzend Häfen, die sie bereits angelaufen hatten. Jeder im Hafen wußte, daß dieses Schiff von einem römischen Senator gemietet worden war, und entsprechend groß war die allgemeine Neugier. Das war er also! Der gutaussehende junge Mann, der in echter Römertoga so forsch einhergeht, als würde ihm die ganze Welt gehören! Und gehörte sie ihm nicht wirklich? Schließlich war er ein Vertreter des römischen Weltreichs. Die weniger hellen Köpfe in seinem Gefolge entblödeten sich nicht, dem Geschwätz noch mehr Nahrung zu geben. Bald wußten alle Neugierigen, die im Hafen von Milet herumlungerten, daß er ein hoher Aristokrat und brillanter Anwalt war. Ihm allein sei es zu verdanken, daß König Nikomedes von Bithynien auf dem Sterbebett sein Land testamentarisch dem Römischen Reich vermacht habe. Kein Wunder, daß Caesar froh war, als die Anker gelichtet wurden und das Schiff wieder in See stach.
Das Wetter war gut, der Seegang ruhig. Eine kräftige Brise blähte das große Leinwandsegel und schonte die Kräfte der Ruderer. Caesar hielt sich auf dem Achterdeck auf, neben ihm stand der Kapitän, der ihm versicherte, daß sie am folgenden Tag Halikarnassos erreichen würden.
Sie waren sieben oder acht Meilen entlang der Küste gefahren, als die Spitze eines Vorgebirges vor ihnen ins Meer ragte. Caesars Schiff segelte friedlich zwischen der Landspitze und einer aus dem Dunst auftauchenden Insel hindurch.
»Das ist Pharmakussa«, sagte der Kapitän. Sie passierten die Insel in Küstennähe, in einiger Entfernung vom festländischen Iasos, auf einer Route, die zur nächsten Halbinsel dieser zerklüfteten Küste führte. Pharmakussa war eine kleine Insel, deren Gestalt unterschiedlich großen weiblichen Brüsten glich, wobei der südlich gelegene Teil die größere der beiden bildete.
»Ist die Insel bewohnt?« fragte Caesar beiläufig.
»Nein, nicht einmal ein Hirte mit seiner Herde lebt dort.«
Sie waren schon fast an der Insel vorbeigefahren, als plötzlich eine flache schnittige Kriegsgaleere hinter der größeren Brust auftauchte und in schneller Fahrt auf Caesars Schiff zusteuerte.
»Piraten!« kreischte der Kapitän bleich vor Schreck.
Caesar nickte nur. Er hatte gerade nach hinten ins Kielwasser geschaut. »Ja, und eine zweite Galeere kommt von hinten auf uns zu. Wieviel Mann sind an Bord der ersten?«
»Kämpfer? Mindestens hundert, und bis an die Zähne bewaffnet.«
»Und auf der Galeere hinter uns?«
Der Kapitän reckte den Hals. »Das ist ein größeres Schiff. Vielleicht hundertfünfzig.«
»Dann hältst du also Widerstand für zwecklos.«
»Bei den Göttern, ja, Senator!« stieß der Mann hervor. »Sie würden uns im nächsten Augenblick niedermetzeln. Wir können nur hoffen, daß sie es auf ein Lösegeld abgesehen haben. Da unser Schiff nicht tief im Wasser liegt, haben sie sicherlich schon erkannt, daß wir keine Fracht geladen haben.«
»Glaubst du, sie wissen, daß jemand an Bord ist, für den sie ein hohes Lösegeld fordern können?«
»Sie wissen über alles Bescheid, Senator! Sie haben ihre Spione in allen Häfen um das Ägäische Meer. Ich vermute, die Spione sind gestern von Milet aus losgerudert und haben den Piraten eine Beschreibung meines Schiffs und die Nachricht gebracht, daß sich ein römischer Senator an Bord befindet.«
»Haben die Piraten ihren Unterschlupf auf Pharmakussa?«
»Nein, Senator. Es wäre von Milet und Priene aus zu leicht, sie ausfindig zu machen. Sie haben hier nur für ein paar Tage auf der Lauer gelegen und nach einem möglichen Opfer Ausschau gehalten. Länger als ein paar Tage brauchen sie nie zu warten, denn irgendeine saftige Beute kommt immer vorbeigesegelt. Wir haben Pech. Jetzt in der Winterzeit stürmt es gewöhnlich in diesen Gewässern, deshalb habe ich gehofft, von Piraten verschont zu bleiben. Aber leider ist das Wetter zu gut.«
»Was haben sie mit uns vor?«
»Sie werden uns in ihren Unterschlupf schleppen und dort auf das Lösegeld warten.«
»Wo könnte ihr Piratennest liegen?«
»Wahrscheinlich in Lycia. Irgendwo zwischen Patara und Myra.«
»Das ist recht weit von hier.«
»Mehrere Tage mit dem Schiff.«
»Warum so weit?«
»Weil sie dort
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