MoR 03 - Günstlinge der Götter
verlocken?«
»Nein.«
»Bithynien braucht einen jungen und starken Herrscher, Caesar. Wer sonst sollte das sein, wenn nicht du!«
»Es gibt das Römische Reich.«
»Und Römer wie Gaius Verres.«
»Das ist richtig, aber es gibt auch Römer wie mich. Rom ist die einzige Lösung, Nikomedes. Es sei denn, du willst Pontus die Herrschaft überlassen.«
»Alles andere, nur nicht das!«
»Dann gib Bithynien in Roms Obhut.«
»Kannst du mein Testament in gültiger römischer Form abfassen?«
»Ja.«
»Dann bitte ich dich darum, Caesar. Ich gebe mein Königreich in die Hände Roms.«
Mitte Dezember starb König Nikomedes der Dritte von Bithynien. Seine eine Hand lag in Caesars Händen, die andere in denen seiner Frau; so verschied er, ohne noch einmal zum Abschied aus seinem, langen Traum zu erwachen.
Der Letzte Wille des Königs war frühzeitig genug mit Eilboten nach Rom gebracht worden, so daß Caesar noch vor dem Tod des fünfundachtzigjährigen Monarchen die Antwort des Senats erhalten hatte. Danach sollte der Statthalter der Provinz Asia, Marcus Junius Juncus, nach Bithynien reisen und gleich nach dem Tod des Königs mit der Eingliederung des Königreichs in die Provinz Asia beginnen. Da Caesar bis dahin bleiben wollte, sollte er Juncus über den Zeitpunkt der Übernahme in Kenntnis setzen.
Caesar war enttäuscht; Bithyniens erster Statthalter würde kein freundlicher und kein verständnisvoller Mensch sein.
»Ich möchte, daß alle Schätze und Kunstwerke im ganzen Reich in einer Liste erfaßt werden«, sagte Caesar der Witwe, »desgleichen der Bestand des Schatzamtes, die Größe der Flotte und die Truppenstärke des Heeres. Rüstungen, Schwerter, Speere, Katapulte und Belagerungsmaschinen, alles, was ihr besitzt, soll ohne Ausnahme gezählt werden.«
»Ich werde das veranlassen, aber warum?« fragte Oradaltis mit besorgter Miene.
»Falls der Statthalter der Provinz Asia vorhaben sollte, auch nur einen Speer oder eine Drachme für sich abzuzweigen, dann möchte ich das gern wissen«, sagte Caesar grimmig. »Dazu ist diese Liste erforderlich, denn ich würde es mir zur Pflicht machen, ihn in Rom zu verklagen und für seine Verurteilung zu sorgen. Wenn du alle Wertgegenstände auf einer Liste erfassen läßt, kannst du sicher sein, daß du zumindest die sechs wichtigsten Römer in deinem Land als Zeugen für die Richtigkeit der Aufzählung benennen kannst. Damit erhält diese Urkunde eine Beweiskraft, die auch ein Senatorengericht nicht bezweifeln kann.«
»Oh, mein Guter! Werde ich selbst denn in Sicherheit sein?« fragte die Königin.
»Ja, ganz gewiß, wenn du es über dich bringen kannst, aus dem Palast in ein Privathaus zu ziehen — am besten in Nikomedeia oder in Chalkedon oder Prusa — und alles, was dir lieb und teuer ist, mitzunehmen. Dann kannst du für den Rest deiner Tage in Frieden und Behaglichkeit leben.«
»Du magst Marcus Junius Juncus nicht.«
»Ich mag ihn überhaupt nicht.«
»Ist er ein zweiter Gaius Verres?«
»Das bezweifle ich, Oradaltis«, sagte Caesar ruhig, »er ist nur gewöhnlich geldgierig und bestechlich. Da er sich für Roms ersten offiziellen Vertreter in Bithynien hält, wird er alles stehlen, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Rom wird von ihm eine Aufstellung aller Wertgegenstände verlangen, aber ich wette, daß seine Aufstellung und deine Liste sich nicht decken werden. Dann können wir ihn dingfest machen!«
»Wird er nicht vermuten, daß es bereits eine Liste gibt?«
Caesar lachte. »Er nicht! Östliche Reiche stehen nicht in dem Ruf der Genauigkeit — Genauigkeit gilt als eine Domäne der Römer. Freilich, da er weiß, daß ich hier bin, glaubt er sicher, ich würde mich als erster von den Schätzen des Landes bedienen. Daher wird es ihm gar nicht einfallen, ich könnte mich mit dir verbündet haben, um ihm eine Falle zu stellen.«
Ende Dezember war es dann soweit. Die Königin verlegte ihre Residenz in das kleine Fischerdorf Rheba an der Schwarzmeerküste nahe des Bosporus. Hier besaß Nikomedes ein Landhaus, das die Königin als idealen Wohnsitz für eine zurückgezogen lebende ehemalige Herrschergattin ansah.
»Wenn Juncus dein Haus beschlagnahmen will, zeigst du ihm eine Abschrift der Eigentumsurkunde und weist ihn darauf hin, daß sich das Original bei deinen Bankiers befindet. Wo willst du dein Vermögen deponieren?«
»Ich dachte an Byzanz. Das wäre von Rheba aus am nächsten.«
»Ausgezeichnet! Byzanz gehört nicht zu Bithynien, daher
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