MoR 03 - Günstlinge der Götter
unerträglich!«
»Die Frau ist durchaus nicht unerträglich«, sagte Aurelia, aber nicht mit dem Nachdruck, als hätte sie recht behalten wollen. Statt dessen wechselte sie das Gesprächsthema. »Wie mir scheint, hast du noch nicht an dein früheres Gesellschaftsleben angeknüpft.«
»Allerdings, weil ich es gar nicht will. Ich habe gerade noch genug Zeit, zu Marcus Fonteius nach Gallia Transalpina zu gehen und ihn auf einem kurzen Feldzug zu begleiten. Das werde ich auch tun. Nächstes Jahr im Juni bin ich wieder zurück und kandidiere für die Wahl zum Militärtribunen.«
»Das klingt vernünftig«, pflichtete sie ihm bei. »Wie ich höre, bist du zu einem Kriegsherrn ohnegleichen geworden. Nun könntest du dich endlich auch in einer offiziellen Stellung versuchen.«
Er zuckte zusammen. »Du hast eine spitze Zunge, Mater!«
Fonteius, der sich wie die meisten Statthalter jenseits der Alpen Massilia zum Stützpunkt gewählt hatte, war fest entschlossen, Caesar zehn Monate lang zu beschäftigen. Er hatte im Krieg gegen die Vocontier eine schlimme Beinverletzung erlitten. Nun machte ihn die Vorstellung ganz krank, alles bisher Erreichte wieder verlorengehen zu sehen, weil er nicht reiten konnte. Bei Caesars Ankunft gab er ihm daher sogleich den Befehl über die beiden Legionen der Provinz und trug ihm auf, den Feldzug entlang der Durance zu Ende zu führen. Fonteius selbst wollte sich um die Nachschublinien nach Spanien kümmern. Als dann die Nachricht von Sertorius’ Tod eintraf, konnte der Statthalter aufatmen. Gemeinsam mit Caesar begab er sich in das Tal der Rhône zu einem Feldzug in die Siedlungsgebiete der Allobroger.
Fonteius und Caesar waren beide geborene Soldaten und kamen prächtig miteinander aus. Am Ende des zweiten Feldzugs fanden beide, daß nichts mehr Spaß mache als mit einem militärisch denkenden Kopf zusammenzuarbeiten. Caesar konnte nun auf seinem Rückweg nach Rom, den er wie üblich im Eiltempo zurücklegte, auf sieben Feldzüge zurückblicken — ihm blieben nur noch drei, um sein Soll zu erfüllen. Er hatte die Zeit in Gallien genossen, war es doch für ihn die erste Reise westlich der Alpen. Auch fiel ihm der direkte Umgang mit den Galliern nicht schwer, denn dank seinem alten Lehrer Marcus Antonius Gnipho, dank Cardixa und einigen anderen Bedienten aus dem Gefolge seiner Mutter sprach er mehrere gallische Mundarten. Die salluvischen und vocontischen Kundschafter, die glaubten, kein Römer sei in ihren Sprachen bewandert, verfielen gern in ihre gallische Mundart, wenn sie sich über Dinge unterhielten, die nicht für römische Ohren bestimmt waren. Caesar aber entging nichts von dem, was er eigentlich nicht wissen sollte, ohne sich je zu verraten.
Es war ein günstiger Zeitpunkt, um für die Wahl zum Militärtribun zu kandidieren. Da Spartacus mit seiner Rebellenarmee Rom bedrohte, würde Caesar seinen Dienst in den Legionen der Konsuln auf heimatlichem Boden leisten. Aber zuerst mußte er gewählt werden. Dazu mußte er sich, angetan mit der weißen Toga des Kandidaten, unter die Wählerschaft auf jedem Marktplatz und in jeder Basilika in Rom mischen. Auch das Volk unter den Arkaden, in den Handwerksgilden und Schulen, vor den Toren und Säulengängen durfte er nicht vernachlässigen. Da jährlich vierundzwanzig Militärtribunen von der Volksversammlung gewählt wurden, war es nicht besonders schwierig, gewählt zu werden, aber Caesar hatte sich ein höheres Ziel gesetzt: Er wollte der Kandidat sein, der die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte. Daher legte er sich in einer Weise ins Zeug, die den andern Kandidaten angesichts der geringen Bedeutung dieses Amtes übertrieben schien. Er nahm auch nicht die Dienste eines nomenclators in Anspruch, eines jener Männer, die ihre Gedächtniskunst anderen für Geld zur Verfügung stellten. Caesar war sein eigener nomenclator, er vergaß nie ein Gesicht oder den dazugehörigen Namen. Wer sich sofort erkannt und mit dem richtigen Namen angesprochen fand, obwohl mehrere Jahre seit der letzten Begegnung verflossen waren, mußte sein Gegenüber für einen höflichen und brillanten Zeitgenossen halten und ihm seine Stimme geben. Erstaunlicherweise vernachlässigten die meisten Kandidaten die Subura und sahen in ihr nur das Sammelbecken für den Abschaum, auf den Rom gut verzichten könnte. Caesar hingegen, der sein Leben lang in der Subura gewohnt hatte, wußte, daß es dort viele Menschen gab, die dem unteren Teil der Oberschicht, und
Weitere Kostenlose Bücher