MoR 03 - Günstlinge der Götter
schlicht für verrückt?
»Oh, du Narr!« sagte Cassius, als er, noch mit Tränen des Lachens in den Augen, wieder zu sich kam. »Du Bauerntölpel! Hast du denn keine Spione? Natürlich nicht! Du kannst einem römischen Kommandanten nicht das Wasser reichen! Worin unterscheidet sich denn deine Horde von den Horden der Barbaren? In nichts, das ist die schlichte Wahrheit. Ich kann es schier nicht glauben, daß du es noch nicht mitbekommen hast, aber du scheinst es wirklich nicht zu wissen!«
»Was denn?« fragte Spartacus, leichenblaß. Auf den Hohn in Cassius’ Stimme und die Beschimpfungen, mit denen er ihn belegte, hatte er keinen Zorn gezeigt, sondern alles in ihm wich einem überwältigenden Gefühl: Angst.
»Sertorius ist tot! Letzten Winter ist er von seinem eigenen Legaten Perperna ermordet worden. Es gibt keine Rebellenarmee in Spanien mehr, nur noch die siegreichen Legionen des Metellus Pius und des Pompeius Magnus. Sie werden bald nach Italien zurückkehren und dir mitsamt deiner ganzen Barbarenhorde den Garaus machen!« Cassius bekam einen neuen Lachanfall.
Spartacus ertrug dieses Gelächter nicht länger; er hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und lief aus dem Saal geradewegs zu Aluso.
Sie, die Spartacus mittlerweile einen Sohn geschenkt hatte, fand keine tröstenden Worte für ihn. Er griff nach seinem roten Feldherrenmantel, der auf dem Sofa lag, verbarg den Kopf darin und überließ sich den Tränen.
Erst nach einer Weile konnte er wieder sprechen. »Was soll ich tun?« fragte er sie, während er seinen Oberkörper vor und zurück wiegte. »Ich habe eine Armee ohne Kriegsziel und ein Volk ohne Heimat!«
Aluso kauerte am Boden, die Knie weit auseinander, vor sich ihre Trinkschale, die losen Fingerknochen und Batiatus’ schauerlich zugerichtete Hand. Sie schlug mit der Hand nach den Knochen, schaute gebannt auf ihr Muster und murmelte dabei vor sich hin.
»Roms großer Feind im Westen ist tot«, sagte sie schließlich, »aber Roms großer Feind im Osten lebt noch. Die Knochen sagen, daß wir uns mit Mithridates verbünden müssen.«
Warum, so fragte sich Spartacus, war er nicht selber darauf gekommen? Er warf den Feldherrenmantel fort und schaute Aluso aus großen tränenfeuchten Augen an. »Mithridates, natürlich! Wir überqueren die Ostalpen, marschieren durch Illyrien und Thrakien und vereinen unser und sein Heer in Pontus.« Er wischte sich die Nase mit der Hand, schniefte und schaute Aluso fest an. »Thrakien ist deine Heimat, Aluso. Willst du lieber dort bleiben?«
Sie zog nur verächtlich die Nase kraus. »Mein Platz ist an deiner Seite, Spartacus. Die Besser sind ein besiegtes Volk. Kein Volksstamm auf der ganzen Erde ist stark genug, um Rom auf Dauer zu widerstehen, nur ein großer König wie Mithridates. Nein, Spartacus, wir bleiben nicht in Thrakien, sondern verbünden uns mit König Mithridates.«
Ein gewaltiges Heer wie Spartacus’ Rebellenarmee brachte es mit sich, daß es unmöglich war, zu allen Mitgliedern direkt sprechen zu können. Spartacus ließ die große Menschenmenge um sich sammeln, so gut es ging, und bemühte sich nach Kräften, allen Männern und Frauen verständlich zu machen, warum sie nun kehrtmachen und auf der Via Aemilia nach Bononia marschieren und von dort aus auf der Via Annia in nordöstlicher Richtung nach Aquileia und Illyrien weiterziehen würden. Manche verstanden ihn, aber viele verstanden ihn auch nicht, teils weil sie Spartacus nicht selbst gehört, sondern nur eine Darstellung aus zweiter Hand bekommen hatten, teils weil sie die Furcht vieler Italiker vor dem östlichen Despoten teilten. Quintus Sertorius war ein Römer. Mithridates hingegen war ein Barbar, der Säuglinge schlachtete und alle versklaven würde.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, diesmal nach Osten. Als Bononia näher rückte, wuchs der Unmut unter den Soldaten und dem ganzen Troß. Wenn Spanien schon weit weg war, was war dann erst Pontus? Viele Samniter und Lucaner, die den Großteil der Armee ausmachten, sprachen Oskisch und Lateinisch, aber schlecht oder überhaupt nicht Griechisch. Wie sollten sie sich ohne Griechisch in einem Land wie Pontus verständigen?«
Bei Bononia trat eine hundertköpfige Abordnung von Legaten, Tribunen, Zenturionen und einfachen Soldaten vor Spartacus.
»Wir wollen Italien nicht verlassen«, erklärten sie.
»Wenn es so ist, lasse ich euch auch nicht im Stich«, erwiderte Spartacus, der sich seine große Enttäuschung verbiß.
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