MoR 03 - Günstlinge der Götter
weißt, hat Lucius Licinius Lucullus den Krieg gegen Mithridates sehr erfolgreich geführt und ihn schon vor einem Jahr nach Pontus hineingetragen. Unter den vielen Festungen des Königs galt Kabeira immer als die stärkste. Dieses Jahr aber hat sie sich Lucullus ergeben, und er hat entsetzliche Dinge darin gefunden: Die Kerker waren voll mit politischen Gefangenen und Verwandten, die Mithridates vielleicht hätten gefährlich werden können. Sie wurden gefoltert oder vom König bei seinen ständigen Experimenten mit Gift als Versuchstiere mißbraucht. Aber ich will mich nicht bei diesen grauenhaften Geschichten aufhalten. Dafür bin ich zu glücklich.
Unter den Frauen, die in der Festung lebten, befand sich auch Nysa. Sie brachte fast zwanzig Jahre dort zu und ist als eine alte Frau von über sechzig Jahren zu mir zurückgekehrt. Mithridates hatte sie jedoch für seine Verhältnisse gut behandelt — er machte keinen Unterschied zwischen ihr und der kleinen Sammlung von Nebenfrauen und Konkubinen, die er sich auf Kabeira hielt. Auch einige seiner Schwestern, die nicht heiraten und Kinder gebären sollten, hielt er dort fest, und so hatte mein Kind eine Menge alte Jungfern zur Gesellschaft. Übrigens hat der König so viele Frauen und Konkubinen, daß auch seine Frauen in Kabeira jahrelang wie Jungfrauen leben mußten.
Lucullus war sehr freundlich zu den Frauen, die er aus der Festung befreit hatte, und achtete sorgfältig darauf, daß ihnen von seinen Männern keine Gewalt angetan wurde. Laut Nysa behandelte er sie ebenso gut, wie Alexander der Große einst die Mutter, die Frauen und die anderen Haremsdamen von Darius III. behandelt hatte. Ich glaube, Lucullus hat die pontischen Frauen zu seinem Verbündeten Machares, dem Sohn des Mithridates, nach Cimmeria geschickt.
Nysa ließ er frei, sobald er wußte, wer sie war. Aber nicht genug damit, Caesar. Er überhäufte sie mit Gold und Geschenken und schickte sie mit einer Eskorte zu mir zurück. Kannst Du Dir vorstellen, wie es diese gealterte und nie besonders schöne Frau genoß, frei wie ein Vogel durch das Land zu reisen?
Ach, und das Wiedersehen! Ich hatte keine Ahnung, daß sie frei war, bis sie strahlend wie ein junges Mädchen zur Tür meiner Villa in Reba hereinmarschierte. Sie war ja so glücklich, mich wiederzusehen! Mein letzter Wunsch hat sich erfüllt; ich habe meine Tochter wieder.
Sie kam gerade noch rechtzeitig. Sulla, mein geliebter alter Hund, war einen Monat vor ihrer Ankunft an Altersschwäche gestorben, und ich war furchtbar deprimiert. Die Diener wollten mich verzweifelt überreden, einen neuen Hund anzuschaffen, aber Du weißt ja, wie das ist. Man denkt an all die liebenswerten Eigenschaften und lächerlichen Marotten, die das geliebte Tier gehabt hat, an den Platz, den es im Familienleben eingenommen hat. Und dann kommt es einem wie Verrat vor, wenn man einfach ein neues Tier in den Korb setzt, kaum daß das alte begraben ist.
Jetzt habe ich keine Lust mehr zu sterben! Nysa hat natürlich geweint, weil ihr Vater nicht mehr da war, aber wir leben hier ungemein harmonisch und vergnügt zusammen — wir angeln Fische vom Hafendamm aus und machen Gesundheitsspaziergänge durch das Dorf. Lucullus lud uns ein, in dem Palast in Nikomedeia zu leben, aber wir bleiben lieber hier. Und wir haben ein süßes kleines Hündchen namens Lucullus.
Bitte, Caesar, nimm Dir die Zeit, mal wieder in den Osten zu reisen. Ich hätte so gern, daß Du Nysa kennenlernst, und ich vermisse Dich sehr.
Die Delegierten aller sizilischen Städte mit Ausnahme von Syrakus und Messana wandten sich zunächst an Marcus Lollius Palicanus, den Volkstribun des vergangenen Jahres, um ihn als Ankläger gegen Gaius Verres zu gewinnen. Palicanus verwies sie jedoch an Pompeius, und Pompeius meinte, für diese Aufgabe sei Marcus Tullius Cicero der ideale Mann.
Verres war als Statthalter nach Sizilien gegangen, nachdem er Stadtprätor gewesen war. Er hatte den Posten — vor allem dank Spartacus — drei Jahre lang behalten und war gerade erst nach Rom zurückgekehrt, als die sizilische Delegation im Januar Cicero aufsuchte. Sowohl Pompeius als auch Palicanus waren persönlich betroffen: Palicanus war einigen seiner Klienten zu Hilfe gekommen, als Verres sie verfolgt hatte, und Pompeius hatte in Sizilien eine beträchtliche Anzahl Klienten angesammelt, als er es einst im Auftrage von Sulla besetzt hatte.
Cicero war unter Sextus Peducaeus Quästor gewesen, bevor Verres diesen als
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