MoR 03 - Günstlinge der Götter
Statthalter abgelöst hatte. Auch er hatte das Land sehr ins Herz geschlossen, und auch er hatte eine hübsche Anzahl Klienten erworben. Trotzdem verhielt er sich ablehnend, als ihn die Sizilianer aufsuchten.
»Ich arbeite nie als Ankläger«, sagte er. »Nur als Verteidiger.«
»Aber Gnaeus Pompeius Magnus hat dich empfohlen. Er sagte, nur du könnest den Prozeß gewinnen. Bitte, Cicero, wir flehen dich an, mach eine Ausnahme von deiner Regel und klage Gaius Verres an! Wenn wir nicht gewinnen, könnte es gut sein, daß sich Sizilien gegen Rom erhebt.«
»Dann hat er Sizilien aber ordentlich ausgesaugt«, konstatierte Cicero trocken.
»Das hat er. Und dann hat er es zerstückelt, Cicero. Uns ist nichts geblieben, alle unsere Kunstwerke sind verschwunden, in unseren Tempeln gibt es keine Statue und kein Bild mehr, und er hat sich auch sämtliche Kunstgegenstände angeeignet, die sich in Privatbesitz befanden. Was soll man von einem Mann halten, der die Frechheit besaß, eine freie Frau zu versklaven, die für ihre Wandteppiche berühmt war, und sie zwang, in einer Manufaktur für ihn zu arbeiten? Er unterschlug das Geld, das er vom römischen Schatzamt bekam, um Getreide zu kaufen, und dann nahm er den Bauern das Getreide ab, ohne dafür zu bezahlen! Er hat sich ganze Höfe, Güter und sogar Erbschaften unter den Nagel gerissen. Die Liste seiner Schandtaten ist endlos!«
Auch Cicero war entsetzt, doch er schüttelte noch immer ablehnend den Kopf. »Es tut mir leid, aber ich arbeite nicht als Ankläger.«
Der Sprecher der Delegation holte tief Atem. »Dann fahren wir nach Hause«, sagte er. »Wir hatten gedacht, daß ein Mann, der in der Geschichte Siziliens so beschlagen ist, daß er sogar das Grab des Archimedes gesucht und gefunden hat, unsere Lage verstehen und uns helfen würde. Aber deine Liebe zu Sizilien ist erkaltet, und offensichtlich schätzt du auch Gnaeus Pompeius nicht so sehr, wie er dich schätzt.«
An Pompeius und an seine berühmte Entdeckung — Cicero hatte in der Umgebung von Syrakus tatsächlich das verschollene Grab des Archimedes entdeckt — erinnert zu werden, das war einfach zuviel. Die Anklagevertretung war in Ciceros Augen eine Verschwendung seiner Talente, denn das — höchst illegale — Honorar fiel dabei immer viel niedriger aus als die Summen, die ein Ex-Statthalter oder ein publicanus zu zahlen bereit war, wenn er in Gefahr schwebte, alles zu verlieren. Außerdem war die Rolle des Anklägers alles andere als populär. Er wurde immer als ein widerlicher Bursche gesehen, der danach trachtete, einem unglücklichen Menschen das Leben zu ruinieren, während ein Verteidiger, der für seinen unglücklichen Mandanten einen Freispruch erwirkte, als Held gefeiert wurde. Dabei spielte es nicht die geringste Rolle, daß dieser unglückliche Mandant zumeist ausgesprochen schlau, geldgierig und schuldig war, denn jeder Versuch, einem Menschen vorzuschreiben, wie er sein Leben zu führen hatte, wurde schlicht als eine Beschneidung seiner persönlichen Rechte betrachtet.
Cicero stieß einen tiefen Seufzer aus. »Also gut«, sagte er, »ich übernehme den Fall. Aber denkt immer daran, daß die Verteidiger nach den Vertretern der Anklage sprechen, so daß die Geschworenen völlig vergessen haben, was die Anklage vorgebracht hat, wenn sie ihr Urteil verkünden müssen. Außerdem müßt ihr bedenken, daß Verres exzellente Verbindungen hat. Seine Frau ist eine Caecilia Metella, der Mann, der dieses Jahr eigentlich hätte Konsul sein sollen, ist sein Schwager, und ein anderer Schwager von ihm ist gegenwärtig Statthalter auf Sizilien. Von ihm könnt ihr keine Hilfe erwarten! Auch alle anderen Mitglieder der Familie Caecilius Metellus werden auf Verres’ Seite stehen. Wenn ich die Anklage vertrete, dann wird Quintus Hortensius die Verteidigung leiten, und andere Anwälte, die fast ebenso berühmt sind wie er, werden zu seiner Mannschaft gehören. Wenn ich sagte, daß ich den Fall übernehme, heißt das noch nicht, daß ich ihn auch gewinnen werde.«
Die Delegation hatte Ciceros Haus kaum verlassen, als er seine Entscheidung bereits bedauerte. Wie kam er dazu, jeden Caecilius Metellus in Rom gegen sich aufzubringen, wo doch seine Chancen auf das Konsulat ohnehin nur auf der schmalen Basis seiner persönlichen Fähigkeiten als Jurist beruhten? Er war genau wie Gaius Marius, sein ungeliebter Landsmann aus Arpinum, ein homo novus, aber als Soldat hatte er nicht das geringste Talent, und ein neuer
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