MoR 03 - Günstlinge der Götter
mich in Getreide, Hiero — es ist die einzige Art von Gold, die jedes Jahr von neuem aus der Erde sprießt. Ich kaufe es mit dem Gehalt, das ich als Ädil bekomme, aber damit kann ich nicht mehr als zwei Sesterzen pro Scheffel bezahlen. Wenn ihr mir zu diesem Preis Getreide in der erforderlichen Menge verkauft, dann verlange ich kein anderes Honorar. Vorausgesetzt natürlich, ich gewinne euren Prozeß.«
»Abgemacht!« sagte Hiero ohne Zögern und machte sich daran, eine Zahlungsanweisung für seine Bank zu schreiben, die sich auf zehn Talente belief und auf Ciceros Namen lautete.
Marcus und Lucius Cicero waren genau fünfzig Tage unterwegs, in denen sie unermüdlich Beweise und Zeugen sammelten. Der Statthalter von Sizilien, verschiedene Piraten, die Magistrate von Syrakus und Messana und einige römische Steuerpächter versuchten zwar, ihre Arbeit zu behindern. Weit mehr Leute hatten jedoch großes Interesse daran, ihnen zu helfen, und einige von ihnen waren sehr einflußreich. Während die Bücher des Quästors von Syrakus entweder verschwunden oder lückenhaft waren, erwiesen sich die von Lilybaeum als eine wahre Goldgrube an Beweisen. Buchhalter und Kaufleute meldeten sich als Zeugen, von den Getreidebauern ganz zu schweigen. Und schließlich hatte Cicero auch noch Glück: Als es Zeit für die Rückreise wurde und ihm von den fünfzig Tagen nur noch vier geblieben waren, war das Wetter so gut, daß er mit Lucius und allen Zeugen die Reise nach Ostia in einem leichten, offenen Boot machen konnte. Sie trafen am letzten Tag des Juni in Rom ein, und Cicero hatte noch einen ganzen Monat, um den Prozeß vorzubereiten.
Im Lauf dieses Monats arbeitete Cicero nicht nur an dem Fall, sondern kandidierte auch als plebejischer Ädil. Wie er das alles bewältigte, war ihm hinterher ein Rätsel. Tatsächlich aber funktionierte Cicero nie besser, als wenn sein Schreibtisch so mit Arbeit überhäuft war, daß ihm die Papierstapel fast die Sicht versperrten. Er traf seine Entscheidungen wie der Blitz, und alles paßte zusammen: Die silberne Zunge und die goldene Stimme produzierten mühelos Witz und Weisheit; der ansehnliche Kopf, der so massiv und knollig auf seinen Schultern saß, erschien jedem Betrachter als vornehm; und die eindrucksvolle Persönlichkeit, die sich manchmal in der dunkelsten Ecke seines komplizierten Charakters verbarg, war unübersehbar. Im Laufe dieses einen Monats entwickelte Cicero sogar eine neue Methode der Prozeßführung, eine Technik, mit der er etwas erreichte, das im römischen Rechtswesen noch nie dagewesen war: Es gelang ihm, den Geschworenen so schnell und wirkungsvoll eine überwältigende Menge an hiebund stichfesten Beweisen vorzulegen, daß die Verteidigung chancenlos war.
Daß Cicero so bald aus Sizilien zurückkehrte, verschlug Hortensius den Atem, besonders da er selbst unerwartete Schwierigkeiten hatte, das Verfahren gegen den unglücklichen Quintus Curtius auf die Beine zu stellen. Nachdem er in Ruhe darüber nachgedacht hatte, war er jedoch davon überzeugt, daß Cicero bluffte. Er konnte seinen Fall frühestens im September vorbereitet haben!
Auch hatte Cicero nach seiner Rückkehr feststellen müssen, daß in Rom keineswegs alles zum besten stand. Metellus das Zicklein und sein jüngster Bruder hatten bei Ciceros Mandanten ganze Arbeit geleistet. Sie waren inzwischen der festen Überzeugung, daß Cicero das Interesse an ihrem Fall verloren hatte. Denn die Zicklein-Meteller hatten über sorgfältig ausgewählte Agenten das Gerücht verbreitet, Cicero habe sich von Verres mit einer riesigen Summe bestechen lassen. Cicero mußte mehrere Gespräche mit Hiero und seinen Kollegen führen, bis er wußte, warum sie plötzlich völlig verstört waren. Als er es jedoch herausgefunden hatte, fiel es ihm nicht schwer, ihre Furcht zu zerstreuen.
Im Monat Quinctilis fanden drei verschiedene Wahlen statt, wobei zunächst die kurulischen Amtsträger von den Zenturiatskomitien gewählt wurden. Das Ergebnis war für Cicero wenig erfreulich: Hortensius und Metellus das Zicklein wurden Konsuln, und Marcus das Zicklein konnte sich als Prätor durchsetzen. Danach waren die Tribuskomitien zur Wahl aufgerufen, wobei die Tatsache, daß sie Caesar mit der höchsten Stimmenzahl zum Quästor wählten, Cicero kaum ins Bewußtsein drang. Schließlich, am siebenundzwanzigsten Tag des Quinctilis, wählte auch die Versammlung der Plebs, und Cicero wurde zusammen mit einem gewissen Marcus Caesonius zum
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