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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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so fort.
    Cicero untermauerte seine Anklagepunkte mit zahllosen Berichten und Dokumenten, und er legte Wachstäfelchen vor, auf denen noch zu erkennen war, daß die Zahlen abgeändert worden waren. Vor allem aber hatte er Zeugen in rauhen Mengen, Zeugen, die während des Kreuzverhörs nicht eingeschüchtert oder diskreditiert werden konnten. So hatte er nicht nur Zeugen aus einem Bezirk, in dem Verres Getreide gestohlen hatte, sondern aus vielen Bezirken. Und er konnte beweisen, daß Verres zahllose Kunstwerke von Praxiteles, Phidias, Polykleitos, Myron, Strongylion und allen anderen berühmten Bildhauern an sich gebracht hatte, indem er beispielsweise eine »Quittung« vorlegte, aus der hervorging, daß Verres sich eine Cupido-Statue von Praxiteles für ein paar Kupfermünzen »gekauft« hatte. Die Beweise waren massiv und absolut vernichtend. Sie brachen wie eine Flut über das Gericht herein, ein Fall von Diebstahl, Amtsmißbrauch oder Ausbeutung nach dem andern, neun volle Tage lang, bis die actio prima am vierzehnten Tag des Sextilis beendet war.
    Hortensius zitterte, als er den Gerichtssaal verließ, und als Verres mit ihm sprechen wollte, schüttelte er wutentbrannt den Kopf. »Bei dir zu Hause!« sagte er barsch. »Und bring deine Schwäger mit!«
    Das Haus von Gaius Verres lag auf dem besten Teil des Palatin. Es war eines der größten Gebäude auf dem Hügel, aber Verres hatte es so mit Kunstwerken vollgestopft, daß es aussah wie die kleine, überfüllte Werkstatt eines Bildhauers im Velabrum. Wo keine Statuen standen oder Bilder hingen, standen Schränke, die riesige Sammlungen von Gold- und Silbertellern, Juwelen oder wunderbare Stickereien und Wandteppiche enthielten. Tischplatten aus gemasertem Zitronenholz mit Sockeln aus Gold und Elfenbein stießen an vergoldete Stühle oder standen neben überaus prunkvollen Liegen. Draußen im Säulengarten drängten sich die größeren Statuen; sie waren zumeist aus Bronze, obwohl auch hier an vielen Stellen Gold und Silber aufblitzte. Ein wildes Chaos, das die Beute eines fünfzehnjährigen Raubzugs repräsentierte.
    Die vier Männer versammelten sich in Verres’ Arbeitszimmer, das ebenfalls mit Kunstwerken vollgestopft war.
    »Du wirst freiwillig ins Exil gehen müssen«, sagte Hortensius.
    Verres blieb vor Schreck der Mund offenstehen. »Du machst Witze! Wir haben doch noch die actio secunda vor uns! Mit deinen Reden wirst du bestimmt einen Freispruch erreichen!«
    »Du Narr!« brüllte Hortensius. »Hast du denn nichts kapiert? Ich bin ausgetrickst, eingewickelt, hinters Licht geführt, über den Löffel balbiert worden, oder wie immer du die Tatsache bezeichnen willst, daß Cicero mir keine Chance gelassen hat, diesen erbärmlichen Prozeß zu gewinnen! Selbst wenn nach der actio prima ein ganzes Jahr verstriche und ich mit meinen Assistenten in der actio secunda einen Monat lang die besten Reden der Welt hielte, würden die Geschworenen diese Wahnsinnsflut von Beweisen nicht vergessen haben. Ich will dir offen sagen, Gaius Verres, wenn mir auch nur der zehnte Teil deiner Verbrechen bekannt gewesen wäre, hätte ich den Fall nie übernommen. Mummius oder Paullus waren blutige Anfänger im Vergleich zu dir. Und was hast du eigentlich mit dem ganzen Geld gemacht? Bei Juno, wo ist es geblieben? Wie kann ein Mann so viel Geld ausgeben, der für einen Cupido von Praxiteles ein paar Kupfermünzen, meistens aber überhaupt nichts bezahlt? Ich habe im Lauf meiner Karriere so manchen Erzgauner verteidigt, aber du stellst sie alle in den Schatten! Geh freiwillig ins Exil, Gaius Verres!«
    Verres und seine Schwäger hatten der Schimpftirade fassungslos gelauscht.
    Hortensius erhob sich. »Nimm mit, soviel du kannst, aber wenn ich dir einen guten Rat geben darf, dann laß die Kunstwerke, die du in Sizilien zusammengeraubt hast, zu Hause. Du wirst sowieso nicht mehr mitschleppen können, als du aus dem Hera-Tempel von Samos gestohlen hast. Konzentriere dich auf Gemälde und kleinere Kunstwerke. Und bring dein Geld im Morgengrauen aus der Stadt — warte keinen Tag länger.« Er ging zur Tür, wobei er sich mühsam zwischen den Statuen durchschlängelte. »Meine elfenbeinerne Sphinx von Phidias will ich allerdings gleich mitnehmen. Wo ist sie?«
    »Deine was?« keuchte Verres. »Ich schulde dir überhaupt nichts - du hast keinen Freispruch erwirkt!«
    »Du schuldest mir eine elfenbeinerne Sphinx von Phidias«, sagte Hortensius. »Und du solltest den Göttern danken, daß

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