MoR 04 - Caesars Frauen
das Opfer darzubringen, ein gemästetes Schwein. Über das alles wachten die Kreuzwegler und ihre Aufseher, die beiden Stadtprätoren.
Ein Kreuzwegeverein war also eine religiöse Bruderschaft. Jedes Kollegium hatte einen Verwalter, den vilicus, der sich darum kümmerte, daß die Männer seines Bezirks regelmäßig in einem mietfreien aus nahe des Schreins und des Kreuzwegs zusammenkamen; sie sorgten dafür, daß der Schrein und der Kreuzweg immer sauber und gepflegt waren und somit die Mächte des Bösen nicht anzogen. An vielen Straßenecken in Rom stand kein Schrein; man hatte sie nur an den wichtigsten Kreuzungen aufgestellt.
Der Kreuzwegeverein, dessen Vorsteher Lucius Decumius war, befand sich im Erdgeschoß von Aurelias Mietshaus. Bevor er von Aurelia nach ihrem Einzug in das Mietshaus kontrolliert und klein gehalten worden war, hatte Lucius Decumius ein äußerst einträgliches Nebengeschäft geführt — er hatte den Ladenbesitzern und Fabrikanten seines Bezirks gegen Bezahlung Sicherheit garantiert. Als Lucius Decumius Aurelias außergewöhnliche Macht zu spüren bekam, die keinerlei Widerspruch duldete, löste er das Dilemma, indem er sein Geschäft in die äußere Via Sacra und den Vicus Fabricii verlegte, wo es an derartigen Unternehmungen noch fehlte. Auch wenn er dem Zensus nach nur der Vierten Klasse und dem städtischen Tribus der Suburana angehörte, war Lucius Decumius zweifellos eine Macht, mit der man rechnen mußte. Zusammen mit den Vorstehern der anderen Kreuzwegevereine in Rom hatte er sich erfolgreich gegen Gaius Pisos Versuch wehren können, sämtliche Versammlungsorte der Kreuzwegler schließen zu lassen, weil Manilius es so wollte. Gaius Piso und die boni hatten sich daraufhin woanders nach einem Opfer umsehen müssen, und dabei waren sie auf Manilius selbst gekommen. Einen Prozeß wegen Zinswuchers hatte er noch überstanden, aber anschließend wurde er wegen Hochverrats verurteilt und lebenslang verbannt. Sein Vermögen wurde bis auf die letzte Sesterze konfisziert.
Leider war es mit der Bedrohung der Kreuzwegevereine nach dem Ende von Gaius Pisos Amtszeit noch lange nicht vorbei. Der Senat und die Ritter der Achtzehn hatten sich eingeredet, daß solche Kollegien mietfreie Behausungen unterhielten, in denen sich politische Dissidenten sammeln und unter religiöser Schirmherrschaft zusammenschließen konnten. Jetzt waren es Lucius Caesar und Marcius Figulus, die den Kollegien den Garaus machen wollten.
Und deshalb war es ein ziemlich verzweifelter Lucius Decumius, der Caesar in seinen Räumlichkeiten am Vicus Patricii aufgesucht hatte.
»Das ist nicht gerecht!« wiederholte er.
»Ich weiß, Papa«, seufzte Caesar.
»Und wirst du etwas dagegen tun?« wollte der alte Mann wissen.
»Ich werde es natürlich versuchen, Papa. Ich fürchte nur, es wird vergeblich sein. Ich wußte, daß du zu mir kommen würdest, deshalb habe ich bereits mit meinem Vetter Lucius geredet. Er und Marcius Figulus sind fest entschlossen. Mit ein paar Ausnahmen wollen sie alle Kollegien, Glaubensgemeinschaften und Vereine in Rom schließen lassen.« »Mit welchen Ausnahmen?« bellte Lucius Decumius.
»Religiöse Glaubensgemeinschaften wie die Juden. Legale Bestattungsvereine. Die Kollegien der öffentlichen Bediensteten. Zünfte. Das sind alle.«
»Aber wir sind doch religiös!«
»Nicht religiös genug, wenn es nach meinem Vetter Lucius Caesar geht. Die Juden trinken nicht und reden nicht in ihren Synagogen, die Salier, die Luperzier, die Arval-Brüder und andere kommen ohnehin kaum zusammen. Kreuzwegevereine unterhalten Räumlichkeiten, in denen jedermann willkommen ist, auch Sklaven und Freigelassene. Deshalb hält man sie für potentielle Unruheherde.«
»Und wer soll sich um die Laren und ihre Schreine kümmern?«
»Der Stadtprätor und die Ädilen.«
»Die haben doch ohnehin schon zuviel Arbeit.«
»Ich stimme dir zu, Papa, von ganzem Herzen sogar«, beteuerte Caesar. »Das habe ich auch zu meinem Vetter gesagt, aber er hat gar nicht hingehört.«
»Kannst du uns nicht helfen, Caesar? Bitte!«
»Ich werde dagegen stimmen, und ich werde versuchen, möglichst viele dazu zu bringen, es ebenfalls zu tun. Seltsamerweise sind auch einige boni gegen das Gesetz — die Kreuzwegevereine haben eine lange Tradition, deshalb verstößt es gegen den mos maiorum, sie einfach abzuschaffen. Cato bläst in dasselbe Horn. Aber durchkommen wird es trotzdem, Papa... «
»Wir müssen also unsere Tore
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