MoR 04 - Caesars Frauen
Charakter erkannten. Und was Caesar betraf, nun... Cicero wußte nicht einmal genau, ob ihm an Caesars Beifall gelegen war. Crassus war gar nicht erst erschienen, aber der war ohnehin der letzte, den Cicero mit seiner juristischen Argumentation beeindrucken wollte.
»Bis Catilina und Manlius bezwungen sind oder aufgegeben haben, steht Rom unter dem Kriegsrecht des Senatus Consultum Ultimum. So, wie Rom immer noch unter einem Senatus Consultum Ultimum stand, als Saturninus und seine Lakaien in der Curia Hostilia ihr Leben ließen. Und das bedeutete, daß niemand dafür verantwortlich gemacht werden konnte, daß die Sache beendet und die Rebellen hingerichtet worden waren. Das Senatus Consultum Ultimum gewährte allen jenen Immunität, die Dachziegel geworfen hatten, ob sie Sklaven waren oder nicht, denn der Herr kann vor Gericht für die Handlungen seines Sklaven zur Rechenschaft gezogen werden. Und deshalb hätten all die Männer, denen diese Sklaven gehörten, wegen Mordes angeklagt werden können. Aber nicht unter dem Senatus Consultum Ultimum, der Blankovollmacht, die der römische Senat in Zeiten der Not ausstellen darf, wenn es — ganz gleich, mit welchen Mitteln — das Wohl des Staates zu bewahren gilt.
Und nun denkt an unsere geständigen Verräter hier in Rom und an die anderen Verräter, nach denen wir noch suchen, weil sie vor ihrer Festnahme fliehen konnten. Alle sind sie schuldig, beschuldigt von den fünf Männern, die wir in unserem Gewahrsam haben, ganz zu schweigen von den Zeugenaussagen, die ihr von Quintus Curius, Titus Volturcius, Lucius Tarquinius und Brogus dem Allobroger gehört habt. Unter den Bedingungen eines Senatus Consultum Ultimum muß den selbsterklärten Verrätern nicht erst der Prozeß gemacht werden. Wir befinden uns in einer ernsten Notlage, deshalb ist diese ehrwürdige Körperschaft von Männern, der Senat von Rom, ermächtigt, alles Nötige zu tun, um das Wohl des römischen Staates zu garantieren. Wenn wir diese Männer bis zu einem Prozeß in Gewahrsam behalten, wenn wir sie dann anläßlich dieses Prozesses in aller Öffentlichkeit auf dem Forum zur Schau stellen, dann kann das nur zu neuem Aufruhr führen! Zumal sich Catilina und Manlius, die formal zu Feinden des Staates erklärt wurden, noch immer in Freiheit in Italien, an der Spitze einer Armee befinden. Mit dieser Armee könnten sie während eines solchen Prozesses über unsere Stadt herfallen, um die Verräter zu befreien!«
Hatte er sie überzeugt? Cicero war sich dessen sicher, bis sein Blick auf Caesar fiel, der kerzengerade auf der untersten Stufe saß, die Lippen zusammengepreßt, zwei rote Flecken auf den blassen Wangen. Er würde sich also der Opposition Caesars erwehren müssen, und Caesar war ein großer Redner. Designierter Stadtprätor, das bedeutete, er stand weit, vorn auf der Rednerliste, wenn die Reihenfolge eingehalten würde.
Er mußte ihnen seinen Standpunkt eingehämmert haben, bevor Caesar das Wort ergriff! Aber wie? Cicero ließ den Blick über die rückwärtigen Reihen wandern und entdeckte den kleinen alten Gaius Rabirius, einen Mann, der seit vierzig Jahren im Senat saß, ohne sich jemals um ein höheres Amt beworben zu haben. Er war immer noch ein pedarius, ein Senator zweiten Ranges, der Inbegriff eines Hinterbänklers. Und die Verkörperung aller männlichen Tugenden stellte Rabirius auch nicht gerade dar! Viele zwielichtige Geschäfte und Ausschweifungen hatten dafür gesorgt, daß er nicht sehr beliebt war. Und er gehörte zu jenen Männern, die auf das Dach der Curia Hostilia geklettert waren, die Dachziegel losgerissen und auf Saturninus geworfen hatten...
»Wenn diese Körperschaft nun entscheiden sollte, was mit den fünf Männern in unserem Gewahrsam und den Flüchtigen zu geschehen hat, dann wären ihre Mitglieder dabei so frei von jeder juristischen Verantwortung wie... wie, nun, wie der gute Gaius Rabirius, den man schließlich auch nicht wegen des Mordes an Saturninus vor Gericht stellen könnte! Das wäre ein offenkundiger Unsinn, versammelte Väter! Das Senatus Consultum Ultimum deckt alles ab und läßt alles zu. Ich plädiere dafür, daß dieses Haus nach vollständiger Debatte noch heute zu einer Entscheidung über das Schicksal unserer geständigen Gefangenen kommt, die sich selber schuldig bekannt haben. Sie bis zu einem Prozeß in der Stadt zu behalten, wäre, meiner Überzeugung nach, sehr gefährlich für Rom. Laßt uns hier und heute darüber diskutieren und
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