MoR 04 - Caesars Frauen
»äußerste Strafe«. Die gleiche Forderung kam auch von den Konsularen, die nicht Zensoren gewesen waren — Curio, den beiden Luculli, Piso, Glabrio, Volcatius Tullus, Torquatus, Marcius Figulus. Lucius Caesar war so anständig, sich der Stimme zu enthalten.
So weit, so gut. Dann war Caesar an der Reihe, und da nur wenige seine Ansicht so gut kannten wie Cicero, waren viele von seinen Äußerungen überrascht. Auch Cato; es war nicht zu übersehen, daß er auf diesen irritierenden, unwillkommenen Verbündeten nicht vorbereitet gewesen war.
»Der Senat und das Volk von Rom, die gemeinsam die römische Republik bilden, gestatten es nicht, einen vollwertigen Bürger ohne einen Prozeß zu bestrafen«, sagte Caesar in seiner hellen, klaren, tragenden Stimme. »Fünfzehn Männer haben sich soeben für die Todesstrafe ausgesprochen, aber keiner von ihnen hat auch nur ein Wort über einen Prozeß verloren. Es ist deutlich geworden, daß die Mitglieder dieser Körperschaft beschlossen haben, die Republik außer Kraft zu setzen und das Rad der römischen Geschichte zurückzudrehen, um zu einer Entscheidung über das Schicksal von einundzwanzig Bürgern dieser Republik zu kommen, zu denen auch ein Mann gehört, der einmal Konsul und zweimal Prätor war und der auch jetzt wieder ordentlich gewählter Prätor ist. Deshalb will ich die kostbare Zeit dieses Hauses nicht mit Lobreden auf die Republik verschwenden oder auf die Gerichts- und Appellationsverfahren, auf die jeder Bürger dieser Republik einen Anspruch hat, bevor er von seinesgleichen zu irgendeiner Strafe verurteilt werden kann. Statt dessen — und auch deshalb, weil meine Vorfahren, die Julier, bereits während der Regierungszeit des Königs Tullus Hostilius zu den Vätern gehört haben — will ich mich auf einige Bemerkungen zu der Situation beschränken, wie sie sich zur Zeit der Herrschaft der Könige dargestellt hat.«
Die Mitglieder des Hauses hoben aufmerksam die Köpfe. Caesar fuhr fort: »Ob geständig oder nicht, ein Todesurteil ist nicht die römische Art und war es auch nicht unter den Königen, selbst wenn die Könige viele Menschen auf eine Weise in den Tod geschickt haben, die wir auch heute noch kennen — durch öffentliche Gewalttaten. König Julius Hostilius, so kriegerisch er auch war, schreckte vor der Zustimmung zu Todesurteilen zurück. Es warf ein schlechtes Licht auf ihn, und der König hatte das so deutlich erkannt, daß er in eigener Person Horatius den Rat gab, Berufung einzulegen, nachdem ihn die Untersuchungsrichter wegen Mordes an seiner Schwester Horatia verurteilt hatten. Die hundert Väter — die Urväter unseres republikanischen Senats — waren nicht geneigt, Gnade walten zu lassen, aber sie verstanden den königlichen Hinweis und schafften einen Präzedenzfall. Es ist nicht Sache des römischen Senats, Römer zum Tode zu verurteilen. Wenn Römer von Männern mit Regierungsgewalt vom Leben zum Tode gebracht werden — und wer von uns hätte Marius und Sulla vergessen —, dann ist die Regierung am Ende und der Staat entartet.
Versammelte Väter, mir bleibt wenig Zeit, deshalb will ich nur das noch sagen: Laßt uns das Rad nicht zurückdrehen zu den Königen und den Hinrichtungen! Hinrichtungen sind keine angemessene Strafe. Eine Hinrichtung bedeutet Tod, und der Tod ist nur ein ewiger Schlaf. Für jeden Mann ist es ein viel größeres Leid, bis zu seinem Tode im Exil leben zu müssen. Jeden Tag muß er den Gedanken ertragen, zum Verlust seiner Bürgerrechte, zu Armut, Geringschätzung und Vergessenheit verurteilt worden zu sein. Seine öffentlichen Standbilder werden niedergerissen; die Familie darf sein imago bei keinem Begräbnis und auch sonst nirgendwo öffentlich zeigen. Er ist ein Ausgestoßener, entehrt und geschmäht. Seine Söhne und Enkel müssen für immer ihren Kopf unter der Schande beugen, seine Frau und seine Töchter weinen. Und er weiß das alles, denn er ist noch am Leben, er ist noch immer ein Mann, mit allen Gefühlen und Schwächen eines Mannes. Und mit der Kraft eines Mannes, aber in diesem qualvollen Elend nutzt sie ihm nichts mehr. Den Tod als Lebender zu erleiden, ist unendlich viel grausamer als der wirkliche Tod. Ich persönlich habe keine Angst vor dem Tod, solange er plötzlich kommt. Aber ich habe große Angst vor einer politischen Situation, die lebenslanges Exil und den Verlust meiner dignitas bedeuten könnte. Und wenn ich sonst nichts bin — ich bin ein Römer, mit jeder Faser meines
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