MoR 04 - Caesars Frauen
keine legale Strafe. Und wenn du diese Männer nicht vor Gericht stellst, wie willst du dann entscheiden, ob sie sich der maiestas oder des perduellio schuldig gemacht haben? Du scheinst für den Hochverrat zu plädieren, aber ist er das wirklich?«
»Dies ist weder der Zeitpunkt noch der Ort für juristische Spitzfindigkeiten, selbst wenn hinter deinem Plädoyer für Milde nichts anderes stecken sollte, Caesar!« plärrte Cato. »Sie müssen sterben, und zwar noch heute!«
Und er redete weiter und schien die Zeit völlig vergessen zu haben. Cato war in Fahrt gekommen, er würde mit seinen Tiraden fortfahren, bis er seine Zuhörer allein durch deren Eintönigkeit zermürbt hätte; er würde kein Ende finden, bis die Sonne untergegangen wäre, und heute würde es zu keiner Abstimmung mehr kommen.
Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang schlich sich ein Amtsdiener herein und steckte Caesar unauffällig einen zusammengefalteten Brief zu.
Cato triumphierte. »Ha, jetzt ist der Verräter entlarvt!« dröhnte er. »Unter unser aller Augen läßt er sich verräterische Zettel zustecken — so weit hat seine Arroganz, seine Verachtung für dieses Haus ihn schon gebracht! Du bist der Verräter, Caesar! Dieser Brief ist der Beweis!«
Während Cato wetterte, las Caesar den Brief. Als er den Blick wieder hob, lag ein sonderbarer Ausdruck auf seinem Gesicht. Leise Angst? Oder Belustigung?
»Lies ihn vor, Caesar, lies ihn uns vor!« schrie Cato.
Caesar schüttelte nur den Kopf. Er faltete den Brief zusammen, erhob sich, ging hinüber zu Catos Platz in der mittleren Bank und überreichte ihm lächelnd den Brief. »Ich könnte mir vorstellen, daß du den Inhalt lieber für dich behalten möchtest«, sagte er.
Cato konnte nicht gut lesen. Er brauchte lange, bis er die endlosen, zu einer einzigen Kolonne aufgereihten Schnörkel entziffert hatte. Und während er murmelte und rätselte, waren die Senatoren beinahe dankbar für die eingetretene Stille und warteten mit Schrecken darauf, daß Cato seine Rede fortsetzen (und dieser Brief sich womöglich als wirklich verräterisch erweisen) würde.
Ein kreischender Laut entfuhr Catos Kehle; alle erschraken. Dann knüllte er das Blatt Papier zusammen und schleuderte es auf Caesar.
»Behalte es, du widerlicher Lüstling!«
Aber Caesar bekam den Brief nicht. Er landete weit vor seinem Platz; Philippus schnappte ihn sich — und öffnete ihn unverzüglich. Er war besser im Lesen als Cato, schon nach wenigen Sekunden brach er in schallendes Gelächter aus, und als er mit der Lektüre fertig war. schickte er den Brief durch die Reihen der designierten Prätoren zu Silanus auf dem kurulischen Podium.
Cato hatte sein Publikum verloren; entweder waren die Männer mit Lesen und Lachen beschäftigt, oder sie platzten vor Neugier. »Es ist typisch für diese Versammlung, daß etwas so Schändliches und Unappetitliches mehr Aufmerksamkeit findet als das Schicksal der Verräter!« schrie er. »Erster Konsul, ich beantrage, daß dieses Haus dir kraft des Senatus Consultum Ultimum den Auftrag gibt, die fünf Männer, die sich in unserem Gewahrsam befinden, unverzüglich hinrichten zu lassen und gegen vier weitere Männer — Lucius Cassius Longinus, Quintus Annius Chilo, Publius Umbrenus und Publius Furius — das Todesurteil auszusprechen, das auf der Stelle zu vollziehen ist, sobald einer der Männer oder alle vier festgenommen sind.«
Natürlich war Cicero genauso neugierig auf den Brief wie alle anderen Anwesenden, aber er sah plötzlich seine Chance und ergriff sie.
»Ich danke dir, Marcus Porcius Caio. Ich lasse jetzt über deinen Antrag abstimmen, dem zufolge die fünf Männer in unserem Gewahrsam sowie auch die vier genannten Männer auf der Stelle hinzurichten sind, sobald man sie gefaßt hat. Alle, die für die Todesstrafe stimmen, mögen sich rechts von mir aufstellen. Jeder, der dagegen ist, gehe nach links hinüber.«
Kurz bevor Cicero seinen Antrag stellte, bekam der designierte Erste Konsul, Decimus Junius Silanus, Servilias Ehemann, den Brief in die Hand. Der Inhalt lautete:
Brutus ist gerade hereingestürzt gekommen und hat mir berichtet, daß mein niederträchtiger Halbbruder Cato Dich vor versammeltem Haus des Verrats bezichtigt hat, ohne den geringsten Beweis dafür zu haben! Mein teurer Geliebter, mach Dir nichts daraus. Das ist die reine Bosheit, weil Du ihm Atilia weggenommen und ihm Hörner aufgesetzt hast — außerdem weiß ich, daß sie zu ihm gesagt hat, er sei ein
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