MoR 04 - Caesars Frauen
Anstalten, wieder in den Tempel zurückzukehren.
»Geh nach Hause, ich bitte dich!«
»Nur, wenn du mir dein Wort gibst, daß kein Eigentum konfisziert wird.«
»Ich gebe dir mein Wort! Und jetzt geh!«
»Ich gehe. Aber du kannst dich darauf verlassen, daß ich dich beim Wort nehme.«
Er hatte gewonnen, aber Caesars Rede hallte Cicero noch immer unerbittlich in den Ohren, als er mit seinen Liktoren und einer Eskorte aus Milizionären zum Haus von Lucius Caesar ging, wo Lentulus Sura noch immer untergebracht war. Er hatte vier seiner Prätoren geschickt, um Gaius Cethegus, Statilius, Gabinius Capito und Caeparius abzuholen, aber um Lentulus Sura mußte er sich persönlich kümmern; der Mann war immerhin einmal Konsul gewesen.
War der Preis zu hoch? Nein! In dem Augenblick, in dem die Verräter ihr Leben aushauchten, würde Rom auf magische Weise zur Ruhe kommen; jeder Gedanke an einen Aufstand würde aus den Köpfen der Männer verschwinden. Es gab nichts Abschr\1ckenderes als eine Hinrichtung. Wenn in Rom mehr Todesurteile gefällt würden, gäbe es weniger Verbrechen. Und was den Prozeß betraf, so hatte Cato in beiden Punkten recht gehabt — sie hatten sich selbst schuldig bekannt, also wäre ein Prozeß eine Verschwendung staatlicher Gelder. Und das Problem bei einem solchen Gerichtsverfahren war es, daß man es massiv beeinflussen konnte; es mußte nur jemand das Geld aufbringen, um die Geschworenen zu bestechen. Tarquinius hatte Crassus beschuldigt, und auch wenn der Verstand Cicero sagte, daß Crassus, der ihm schließlich den ersten konkreten Beweis geliefert hatte, mit der Sache nichts zu tun haben konnte — der Zweifel war gesät. Wenn Crassus nun doch beteiligt gewesen war und es sich später anders überlegt und die Geschichte mit den Briefen geschickt arrangiert hatte?
Tarquinius und Gaius Piso — und auch Cato — hatten Caesar beschuldigt. Keiner von ihnen hatte auch nur den geringsten Beweis vorgelegt, und alle drei waren sie erbitterte Feinde Caesars. Aber der Zweifel war gesät. Was mochte es mit Catos Andeutung auf sich haben, Caesar habe vor beinahe drei Jahren an einem Mordkomplott gegen Lucius Cotta und Torquatus mitgeschmiedet? Die wildesten Gerüchte über ein solches Komplott waren durch Rom geschwirrt, aber als Schuldigen hatte man damals Catilina ausgemacht. Und dann hatten Lucius Cotta und Torquatus öffentlich demonstriert, daß sie den Gerüchten keinen Glauben schenkten, indem sie Catilina bei dessen Erpressungsprozeß verteidigten. Caesars Name war nicht einmal erwähnt worden. Und Lucius Cotta war Caesars Onkel. Andererseits... auch andere römische Patrizier waren an Mordkomplotten gegen nahe Verwandte beteiligt gewesen, nicht zuletzt Catilina, der seinen eigenen Sohn ermordet hatte. Patrizier waren seltsame Leute. Patrizier gehorchten nur ihren eigenen Gesetzen. Man mußte nur an Sulla, Roms ersten richtigen Diktator, denken; auch er ein Patrizier. Eben besser als die anderen. Ganz sicher besser als er, Cicero, der Pächter aus Arpinum, ein Fremder mit Wohnrecht, ein wenig geschätzter neuer Mann.
Cicero beschloß, Crassus im Auge zu behalten. Aber noch genauer mußte er Caesar auf die Finger sehen. Man mußte sich ja nur Caesars Schulden ansehen — wer hätte mehr von einem allgemeinen Schuldenerlaß profitiert als Caesar? Wie sollte dieser Mann seinen endgültigen Ruin denn noch abwenden? Dazu mußte er riesige, von Rom bislang unberührte Gebiete erobern, und das erschien Cicero unmöglich. Caesar war kein Pompeius; er hatte noch nie eine ganze Armee kommandiert. Und mit einem Sonderkommando würde Rom ihn ganz bestimmt nicht betrauen! Ja, je mehr Cicero über Caesar nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, daß Caesar sich an der catilinarischen Verschwörung beteiligt hatte, und wenn auch nur aus dem einzigen Grund, daß Catilinas Sieg ihn von der erdrückenden Last seiner Schulden befreit hätte.
Später, als er mit Lentulus Sura (den er wieder wie einen Schuljungen an der Hand führte) zurück zum Forum ging, begegnete ihm ein anderer Caesar, einer, der weder so begabt noch so gefährlich wie Gaius Julius und trotzdem ein hervorragender Politiker war: Lucius Caesar, Konsul des Vorjahres und Augur, ein Mann, der die besten Aussichten hatte, im Lauf der kommenden Jahre zum Zensor gewählt zu werden. Er und Gaius Julius waren Vettern, und sie mochten einander.
Lucius Caesar war stehengeblieben: ungläubiges Staunen stand ihm im Gesicht, als er Cicero erkannt
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