MoR 04 - Caesars Frauen
der Straße auf eure Sänften oder geht in Gruppen nach Hause. Die Gäste in den vorderen Reihen benötige ich als Zeuginnen. Wir müssen dieses Mädchen sofort verhören, sonst tun es die Männer, und die Männer werden zu Dummköpfen, wenn sie junge Mädchen befragen.«
Und dann nahm sie sich Doris vor.
»Wisch dir das Gesicht ab, Sklavin!« bellte Aurelia sie an. »Los, wisch dir das Gesicht ab und nimm dich zusammen! Sonst laß’ ich dich gleich hier auspeitschen!«
Es kam Bewegung in das Mädchen mit dem selbstgesponnenen Gewand; sie gehorchte, weil Aurelias Wort in diesem Haus Gesetz war.
»Wer hat dich dazu angestiftet, Doris?«
»Er hat mir einen Beutel voll Gold und meine Freiheit versprochen, domina!«
»Publius Clodius?«
»Ja.«
»War es nur Publius Clodius, oder war noch jemand dabei?«
Mit welcher Antwort konnte Doris die zu erwartende Strafe mildern? Sie mußte wenigstens einen Teil der Schuld von ihren Schultern wälzen. Sie überlegte mit der Schnelligkeit und Schlauheit eines Mädchens, das in die Sklaverei verkauft worden war, nachdem Piraten ihr Fischerdorf in Lycia überfallen hatten; sie war zwölf Jahre alt gewesen, alt genug, um vergewaltigt und für gutes Geld verkauft zu werden. Vor Pompeia Sulla hatte sie zwei andere Herrinnen gehabt, ältere und strengere als die Frau des Pontifex Maximus. Das Leben in den Diensten von Pompeia war ein Elysium dagegen gewesen, und die kleine Kiste unter Doris’ Bett in ihrem eigenen kleinen Schlafzimmer war voller Geschenke; Pompeia war ebenso großzügig, wie sie leichtfertig war. Doch im Augenblick zählte für Doris nur die Angst vor der Peitsche, und sonst nichts. Wenn ihr die Haut in Fetzen vom Körper hing, würde Astyanax sie nie wieder anschauen! Die Männer würden sich schaudernd von ihr abwenden.
»Es war noch jemand dabei, domina«, flüsterte sie.
»Sprich lauter, damit wir dich verstehen! Wer war noch dabei?«
»Meine Herrin, domina. Die Dame Pompeia Sulla.«
»Was hat sie damit zu tun?« fragte Aurelia, ohne auf den Schreckenslaut aus Pompeias Mund oder das Gemurmel der Zeuginnen zu achten.
»Wenn Männer dabei sind, domina, dann darf Polyxena meine Herrin nicht aus den Augen lassen. Ich sollte Publius Clodius hereinlassen und ihn nach oben bringen, weil er mit Pompeia allein sein wollte!«
»Das ist nicht wahr!« heulte Pompeia. »Aurelia, ich schwöre bei allen Göttern, daß das nicht wahr ist! Ich schwör’s bei der Bona Dea! Ich schwöre es, ich schwöre es, ich schwöre es!«
Aber die Sklavin blieb hartnäckig bei ihrer Geschichte von einem heimlichen Stelldichein; nichts konnte sie davon abbringen.
Nach einer Stunde gab Aurelia auf. »Die Zeuginnen können nach Hause gehen. Frau und Schwestern von Publius Clodius, auch ihr dürft gehen. Bereitet euch darauf vor, daß ihr morgen Rede und Antwort stehen müßt. Eine von uns wird zu euch kommen. Dieses ist eine Frauensache, und sie wird von Frauen erledigt.«
Pompeia Sulla war zusammengebrochen und lag schluchzend auf dem Boden.
»Polyxena, bring die Frau des Pontifex Maximus in ihre eigenen Räume und lasse sie nicht einen Moment lang aus den Augen.«
»Mama!« flehte Pompeia ihre Mutter Cornelia Sulla an, als Polyxena ihr auf die Beine half. »Mama, so hilf mir doch! Bitte, bitte, hilf mir!«
Noch so ein schönes, versteinertes Gesicht. »Außer der Bona Dea kann dir niemand helfen. Geh mit Polyxena«, sagte Cornelia Sulla.
Cardixa war von ihrer Aufgabe an den großen Bonzetüren zurückgekehrt; weinende Gäste hatte sie hinauslassen müssen, die dann frierend und in zerknitterten Kleidern im kühlen Wind auf der Straße darauf warten mußten, daß ihre Sänften, die sie eigentlich erst im Morgengrauen benötigt hätten, von ihren Sklaven herbeigeschafft worden waren. Und so hatten sie sich auf dem Randstein der Via Sacra niedergelassen, sich gegenseitig gegen die Kälte geschützt und mit Angst in den Augen auf die Stadt geblickt, über der jetzt ein Fluch lag.
»Cardixa, sperre Doris ein.«
»Was habt ihr mit mir vor?« schrie das Mädchen, als sie fortgebracht wurde. »Domina, was wird mit mir geschehen?«
»Du wirst der Bona Dea Rede und Antwort stehen.«
Mit dem ersten Hahnenschrei ging die Nacht zu Ende; nur noch Aurelia, Servilia und Cornelia Sulla waren übriggeblieben.
»Kommt noch auf einen Becher Wein in Caesars Arbeitszimmer.« Sie lachte traurig. »Aber wir wollen ihn nicht >Milch< nennen.«
Der Wein aus Caesars Vorrat auf der Konsole half ein
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