MoR 04 - Caesars Frauen
es zahllose kleine Mädchen in der Subura gibt, die Julias Kinderkleider gut gebrauchen könnten. Wir haben Julia nie verwöhnt, sie mußte oft die alten Kleider auftragen, wogegen andere, wie ihre Freundin Junia, an jedem Tag mit etwas Neuem glänzen. Doch Julia sah nie schäbig aus. Wie dem auch sei, ich hatte also vor, die Truhe leerzuräumen und Cardixa mit den Sachen in die Subura zu schicken. Als ich dann dies hier fand, beschloß ich, erst einmal abzuwarten.«
»Wieviel Geld gibst du Julia, Mater?« fragte Caesar, hob die Pompeiusbüste hoch und drehte sie in seinen Händen. Um seine Mundwinkel zuckte es, wenn er an all die jungen Mädchen dachte, die sich an den Markständen drängten, um angesichts des Konterfeis tief zu seufzen.
»Sehr wenig, so wie wir vereinbart hatten, als sie in das Alter kam, in dem man etwas Geld in seiner Börse haben sollte.«
»Was glaubst du, Mater, wieviel man für so etwas bezahlen muß?«
»Hundert Sesterzen mindestens.«
»Ja, das könnte hinkommen. Dann hat sie folglich all ihr Geld gespart, um diese Büste zu erstehen.«
»So muß es wohl gewesen sein.«
»Was folgerst du daraus?«
»Daß sie in Pompeius verliebt ist wie beinahe jedes Mädchen aus ihrem Kreis. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sich in diesem Augenblick ein Dutzend junger Mädchen schmachtend um Pompeius’ Abbild drängt, während Servilia schlafen will und Brutus sich mit seinem neuersten Epitom abplagt.«
»Für jemand, der in seinem ganzen Leben nie unbesonnen gewesen ist, ist deine Kenntnis menschlichen Verhaltens erstaunlich, Mater.«
»Die Tatsache, daß ich selbst stets zu vernünftig war, um Dummheiten zu machen, bedeutet nicht, daß ich nicht in der Lage wäre, sie bei anderen wahrzunehmen. Immerhin bin ich ihre Großmutter! Als ich das da fand«, sie deutete auf den Miniatur-Pompeius, »begann ich über Julia in einer Weise nachzudenken, wie ich es bis dahin nie getan hatte. Wir beide, du und ich, vergessen gern, daß sie schon fast erwachsen ist. Nächstes Jahr um die gleiche Zeit wird Julia achtzehn sein und Brutus heiraten. Doch je älter sie wird und je näher diese Hochzeit rückt, desto mehr Zweifel hege ich.«
»Warum?«
»Sie liebt ihn nicht.«
»Liebe war nie Bestandteil des Vertrages, Mater«, sagte Caesar freundlich.
»Das weiß ich auch, doch bin ich nicht anfällig für Sentimentalitäten. Ich bin auch jetzt nicht sentimental. Du kennst Julia nur oberflächlich, es kann nicht anders sein. Du siehst sie häufig, doch dir zeigt sie ein ganz anderes Gesicht als mir. Sie betet dich an, glaub mir. Wenn du sie bitten würdest, sich einen Dolch in die Brust zu stoßen, sie würde es wahrscheinlich tun.«
Er rutschte unbehaglich hin und her. »Mater, ich bitte dich!«
»Nein, es ist wahr. Würdest du Julia zu etwas Derartigem auffordern, sie würde davon ausgehen, daß es für dein zukünftiges Wohlergehen unabläßlich sein muß. Sie ist wie Iphigenie von Aulis. Könnte ihr Tod die Winde in Bewegung setzen und die Segel deines Lebens damit füllen, so würde sie, ohne an sich zu denken, sterben. Und diese Haltung«, sagte Aurelia vorsichtig, »nimmt sie auch hinsichtlich ihrer Heirat mit Brutus ein, davon bin ich überzeugt. Sie wird ihn heiraten, um es dir recht zu machen, wird ihm fünfzig Jahre lang eine vollkommene Ehefrau sein, falls er so lange leben sollte. Doch dieses Zusammenleben wird sie nie glücklich machen.«
»Nein, das ist unerträglich!« rief er und stellte die Büste zurück auf den Tisch.
»Da stimme ich dir zu.«
»Sie hat mir gegenüber nie etwas verlauten lassen.«
»Das wird sie auch nicht tun. Brutus ist das Oberhaupt einer sehr reichen und alten Familie. Wenn sie ihn heiratet, verbindet sie seine Familie mit unserer, dessen ist sie sich wohl bewußt.«
»Ich werde morgen mit ihr sprechen«, sagte er entschieden.
»Nein, Caesar, tu das nicht. Sie wird dann nur vermuten, daß du um ihren Widerwillen weißt, und wird alles abstreiten.«
»Was soll ich denn sonst tun?«
Ein Ausdruck von verstohlener Genugtuung erschien auf Aurelias Gesicht; sie lächelte und schnurrte dabei vor Behagen wie eine Katze. »Wenn ich du wäre, mein Sohn, so würde ich den armen, einsamen Pompeius Magnus zu einem hübschen kleinen Familienessen laden.«
Das Erstaunen, das sich in Caesars Augen widerspiegelte, ging alsbald in lautes Lachen über.
»Mater, Mater«, sagte er, sobald er wieder Worte finden konnte, »was würde ich nur ohne dich anfangen? Julia und
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