MoR 04 - Caesars Frauen
Grund gehabt, diese Entscheidung zu bedauern.
Und jetzt, sieben Jahre später, würde sie wieder ein geliebtes Kind bekommen, die Frucht einer Leidenschaft, die längst ihr Leben bestimmte. Was sie für Gaius Julius Caesar empfand, war ihrer Natur nicht fremd, es war ein intensives, mächtiges Gefühl, einer großen Liebe durchaus ebenbürtig. Nein, das größte Hindernis lag in seiner Natur; er war absolut nicht gewillt, sich von persönlichen Gefühlen beherrschen zu lassen. Diese erste, instinktiv richtige Einschätzung hatte sie vor den Fehlern bewahrt, die Frauen gewöhnlich machten — sie unterzog seine Gefühle keinerlei Prüfungen, und sie erwartete weder Treue noch ehrliches Interesse an irgendwelchen Angelegenheiten, die über das hinausgingen, was in dieser verschwiegenen Wohnung in der Subura passierte.
Sie war an diesem Nachmittag nicht mit der Erwartung dorthin gegangen, er würde sich über die Neuigkeit freuen, die sie ihm zu berichten hatte, oder gar so etwas wie Vaterstolz entwickeln, und sie hatte recht daran getan, sich keinen großen Illusionen hinzugeben. Er war weder erfreut noch verärgert; er hatte es ihr ja gesagt — es war ihr Problem und hatte mit ihm nichts zu tun. Aber hatte sie nicht doch, irgendwo ganz tief drinnen, die Hoffnung gehegt, er könnte Anspruch auf das Kind erheben? Nein, wahrscheinlich nicht, jedenfalls war sie jetzt auf dem Heiniweg weder verzweifelt noch übermäßig enttäuscht. Da er nicht verheiratet war, hätte nur eine einzige Verbindung durch Scheidung gelöst werden müssen — ihre mit Silanus. Aber wie hatten die Römer Sulla damals verurteilt, als er sich Hals über Kopf scheiden ließ! Sulla hatte sich nicht um die Leute geschert, als Scaurus’ junge Frau Witwe geworden war. Auch ein Caesar würde daran keinen Gedanken verschwenden. Allerdings hatte Caesar — anders als Sulla — ein Ehrgefühl; auch wenn es vielleicht gar nicht so ehrenhaft war, wurde es doch viel zu sehr durch das bestimmt, was er selbst von sich erwartete. Für beinahe jeden Aspekt seines Lebens schuf Caesar sich seine eigenen Verhaltensmaßregeln. Er bestach keine Geschworenen, er preßte die ihm anvertrauten Provinzen nicht aus, er heuchelte nicht. Das alles war letztlich ein Ausdruck dafür, daß er es sich nicht leichtmachen wollte; er wollte nicht auf jene Taktiken zurückgreifen, die eigens dafür erdacht worden waren, einem Mann die politische Karriere zu erleichtern. Sein Selbstvertrauen war durch nichts zu erschüttern, er zweifelte nicht eine Sekunde an seiner Fähigkeit, die Ziele zu erreichen, die er sich steckte. Aber Anspruch auf dieses Kind zu erheben und sie zu bitten, sich von Silanus scheiden zu lassen, damit er sie noch vor der Geburt heiraten konnte — nein, nicht im Traum würde ihm das einfallen. Und sie wußte auch, warum. Weil er damit seinen Konkurrenten auf dem Forum demonstriert hätte, daß er unter dem Pantoffel von jemand Geringerern stand, in diesem Fall einer Frau.
Natürlich hätte sie ihn für ihr Leben gern geheiratet, aber nicht, damit er die Vaterschaft für ihr Kind übernahm. Sie hätte ihn gern geheiratet, weil sie ihn mit dem Herzen ebensosehr liebte wie mit dem Körper, weil sie in ihm einen der großen Römer erkannte, einen angemessenen Ehemann, der ihre Erwartungen an seine politische Karriere und seine militärischen Fähigkeiten nicht enttäuschen würde, dessen Herkunft und dignitas auch ihrem Leben einen neuen Glanz verleihen würden. Er war ein Publius Cornelius Scipio Africanus, ein Gaius Servilius Ahala, ein Quintus Fabius Maximus Cunctator, ein Lucius Aemilius Paullus — ein Mann von wahrhaft patrizischem Adel, ein echter Römer, reichlich ausgestattet mit Intellekt, Energie, Entscheidungskraft und charakterlicher Stärke. Ein idealer Gatte für eine Servilia Caepionis. Der ideale Stiefvater für ihren geliebten Brutus.
Das Abendessen stand kurz bevor, als sie nach Hause kam; der Verwalter teilte ihr mit, daß Decimus Junius Silanus in seinem Studierzimmer saß. Was ist nur mit ihm los? dachte sie, als sie das Zimmer betrat, in dem er gerade einen Brief schrieb. Mit seinen vierzig Jahren sah er eher wie fünfzig aus, seine Krankheit hatte ihm zu beiden Seiten der Nase tiefe Furchen in die Wange gegraben, sein früh ergrautes Haar hob sich kaum von der grauen Haut ab. Auch wenn er sich redlich mühte, seinen Pflichten als Stadtprätor nachzukommen — die Anforderungen des Amtes unterhöhlten seine ohnehin recht fragile
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