MoR 04 - Caesars Frauen
Bogitarus?« fragte ihn Lucullus.
»Ja, Lucius Licinius. Meine Pferde kommen nicht über einen solchen Berg, nicht nach diesen Felsen. Ihre Hufe sind aufgerissen bis zu den Fesseln, sie haben so viele Eisen verloren, daß die Schmiede nicht mehr nachkommen, und der Stahl geht uns aus. Ganz abgesehen davon, daß wir seit Tigranokerta keine Holzkohle mehr bekommen haben. Wir würden dir in den Hades folgen, Lucius Licinius, aber wir folgen dir nicht über diesen Berg«, sagte Bogitarus.
»Danke, das reicht, Bogitarus«, erwiderte Lucullus. »Geht jetzt. Ich möchte mit Publius Clodius sprechen.«
»Heißt das, wir gehen zurück?« fragte Silius mißtrauisch.
»Nicht zurück, es sei denn, ihr habt Lust auf die Felsen. Wir marschieren nach Westen zum Arsanias. Dort finden wir Getreide.«
Bogitarus war bereits gegangen, jetzt folgten ihm die Zenturios der Fimbrianer. Lucullus und Clodius waren allein.
»Was hast du mit dieser ganzen Sache zu tun?« fragte Lucullus.
Hämisch lächelnd musterte Clodius den Feldherrn von Kopf bis Fuß. Wie heruntergekommen der Mann war! Man sah ihm seine fünfzig Jahre an. Und etwas fehlte jetzt in seinem Blick: die kühle Festigkeit, die ihm alle Tore geöffnet hatte. In seinen müden Augen glaubte Clodius das Wissen um die Niederlage zu erkennen.
»Was ich mit der Sache zu tun habe?« wiederholte Clodius und lachte. »Mein lieber Lucullus, ich bin ihr Urheber! Glaubst du im Ernst, irgendeiner von den Kerlen hätte soviel Weitblick? Oder soviel Mut? Ich habe das alles angezettelt, ich allein!«
»Und die cilicischen Legionen?« fragte Lucullus langsam.
»Auch das. Mein Werk.« Clodius wippte auf den Zehen. »Wenn du mich jetzt nicht mehr haben willst, gehe ich. Bis ich in Tarsos bin, müßte mein Schwager Rex auch dort sein.«
»Du wirst nirgendwo hingehen. Misch dich von mir aus wieder unter deine fimbrianischen Lakaien.« Lucullus lächelte düster. »Ich bin dein Kommandant, und mir ist das prokonsularische Kommando übertragen worden, gegen Mithridates und Tigranes zu kämpfen. Ich gebe dir nicht die Erlaubnis, zu gehen. Du wirst bei mir bleiben, und wenn ich deinen Anblick bis zum Erbrechen ertragen muß.«
Mit dieser Antwort hatte Clodius nicht gerechnet. Er warf Lucullus noch einen wütenden Blick zu und stürmte hinaus.
Auch wenn Lucullus sich nach Westen wandte, von Wind und Schnee wurden sie nicht verschont, denn die günstige Zeit für Feldzüge war abgelaufen. Innerhalb der Gnadenfrist waren sie bis zum Ararat gekommen, nicht weiter als zweihundert Meilen von Tigranokerta entfernt, so weit, wie auch ein Vogel fliegen konnte. Als er an die Ufer des Arsanias kam, des größten der nördlichen Nebenflüsse des Euphrat, war das Getreide bereits geerntet, und die spärliche Bevölkerung hatte sich in die höhlenartigen, in den Tuffstein gehauenen Behausungen zurückgezogen und jeden eßbaren Krümel mitgenommen. Gut, Lucullus war von seinen eigenen Soldaten besiegt worden, aber derlei Widrigkeiten kannte er, und er dachte nicht daran, hier stehenzubleiben, wo er im Frühling eine leichte Beute von Mithridates und Tigranes werden würde.
Er zog zurück nach Tigranokerta, wo es Vorräte gab, wo Freunde auf ihn warteten, aber wenn die Fimbrianer geglaubt hatten, dort in Ruhe überwintern zu können, wurden sie bitter enttäuscht. Es war ruhig in der Stadt, man schien sich mit Lucius Fannius, dem Mann, den er als Gouverneur dort zurückgelassen hatte, arrangiert zu haben. Nachdem er Getreide und anderen Proviant gesammelt hatte, marschierte Lucullus weiter nach Süden, um die Stadt Nisibis zu belagern, die am Mygdonius lag, in einem trockeneren, flacheren Gebiet.
Die Stadt Nisibis, die in einer schwarzen, regnerischen Novembernacht fiel, barg fette Beute und garantierte ein leichtes, üppiges Leben. Die Fimbrianer richteten sich dort ein, machten Clodius zu ihrem Glücksbringer und verbrachten einen angenehmen Winter unterhalb der Schneegrenze. Und als Lucius Fannius kaum einen Monat später in der Stadt eintraf, um seinem Kommandanten zu berichten, daß König Tigranes wieder in Tigranokerta Einzug gehalten hatte, da wickelten sie Clodius in Efeu und trugen ihn auf ihren Schultern einmal um den Marktplatz von Nisibis, weil sie ihr Glück ihm zu verdanken glaubten. Hier waren sie sicher und hatten sich obendrein die Belagerung von Tigranokerta erspart.
Im April — der Winter ging zu Ende, und die Aussicht auf einen neuen Feldzug gegen Tigranes bot ein wenig Trost —
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