MoR 05 - Rubikon
neues Gesetz gegen die Gewalt eingebracht, das können wir uns gleich zunutze machen.«
»Ich weiß jemanden, der über unseren consul sine collega überhaupt nicht erfreut ist«, sagte Atticus.
»Meinst du Caesar?« Cicero, der kein Freund Caesars war, strahlte. »Gut gemacht, Magnus! Dafür küsse ich dir nicht nur die Hände, sondern auch noch die Füße!«
Atticus aber schüttelte nur nüchtern den Kopf. »Magnus hat das überhaupt nicht gut gemacht«, sagte er streng. »Wahrscheinlich werden wir alle eines Tages dafür büßen müssen. Wenn Pompeius jetzt ein Gesetz vorbereitet, das allen, auch Caesar, verbietet, in absentia für das Konsulat zu kandidieren, warum hat er die zehn Volkstribunen dann vorher ein Gesetz verabschieden lassen, das Caesar ermöglicht, in Abwesenheit zu kandidieren?«
»Caesars Kreaturen haben eben laut genug geschrien!«
Da Atticus einer von denen war, die laut geschrien hatten, hätte er fast eine spitze Bemerkung gemacht, doch biß er sich auf die Zunge. Was hätte es genutzt? Schließlich konnten alle Anwälte der Welt Cicero nicht dazu bringen, sich auf Caesars Seite zu stellen. Nicht nach Catilina! Und wie alle Gutsbesitzer war auch Cicero jemand, der nie vergaß. »Na und?« sagte Atticus deshalb nur. »Warum denn nicht? Jeder versucht schließlich, seine Interessen zu vertreten. Aber eine Klausel an das Gesetz anzuhängen, die Caesar davon ausnimmt, und dann einfach zu übersehen, daß diese Klausel zusammen mit dem Rest in Bronze graviert wird, das ist schäbig, feige und hinterhältig. Lieber wäre mir gewesen, er hätte einfach gesagt, tut mir leid für Caesar, damit muß er fertigwerden. Pompeius ist ein Dickschädel und hat zuviel Macht — Macht, die er nicht klug einsetzt. Das hat er noch nie, seit er Sulla mit drei Legionen bei der Eroberung Roms geholfen hat. Mit zweiundzwanzig Jahren! Er hat sich nicht verändert, er ist nur älter, dicker und listiger geworden.«
»Aber er muß doch listig sein«, sagte Cicero rechtfertigend. Er hatte immer auf Pompeius’ Seite gestanden.
»Vorausgesetzt, die anderen fallen darauf herein, Cicero. Ich glaube kaum, daß Caesar ein gutes Ziel ist. Er hat mehr Verstand im kleinen Finger als Pompeius im ganzen Körper, und handelt viel überlegter. Auf der anderen Seite ist Caesar der aufrichtigste Mensch, den ich kenne. Er setzt Listen nur ein, wenn er muß, bei ihm ist das nicht zur Angewohnheit geworden. Pompeius dagegen verstrickt sich in ein ganzes Netz von Lügen, wenn er andere hereinlegen will. Seine Listen dienen nie einem größeren Ganzen wie bei Caesar. Mir ist noch nicht ganz klar, worauf Caesar hinauswill, aber ich habe Angst vor ihm, wenn auch aus ganz anderen Gründen als du.«
»Das ist doch Unsinn!« rief Cicero.
Atticus schloß die Augen und seufzte. »Sieht so aus, als würde Milo angeklagt werden. Was machst du dann?«
»Will Magnus denn nicht, daß Milo davonkommt?« fragte Cicero unsicher.
»Genau das.«
»Aber ich glaube, es ist ihm egal.«
»Cicero, nimm endlich Vernunft an! Es ist ihm keineswegs egal. Er hat Milo angestiftet!«
»Das sehe ich nicht so.«
»Dann sieh es, wie du willst. Wirst du Milo verteidigen?« »Keine Macht der Welt könnte mich daran hindern!« erklärte Cicero.
Der Prozeß gegen Milo begann gegen Winterende, laut Kalender am vierten Tag des April. Der Vorsitzende Richter war Lucius Domitius Ahenobarbus, die Ankläger waren die beiden jungen Appii Claudii, unterstützt von den beiden patrizischen Valeriern Nepos und Leo und dem alten Herennius Balbus. Zur Verteidigung war alles aufgeboten, was in Rom Rang und Namen hatte: Hortensius, Marcus Claudius Marcellus, Marcus Calidius, Cato, Cicero und Milos Schwager Faustus Sulla. Auch Gaius Lucilius Hirrus stand auf Milos Seite, konnte das aber als Vetter des Pompeius nicht allzu öffentlich tun. Brutus bot seine Dienste als Berater an.
Pompeius hatte den heiklen Prozeß, der nach den Vorgaben seiner eigenen Gesetze gegen die Gewalt durchgeführt wurde, sehr umsichtig geplant. Die Anklage lautete nicht auf Mord, denn niemand hatte den Mord gesehen. Neu war, daß die Geschworenen erst am letzten Verhandlungstag, wenn es für Bestechungen zu spät war, durch das Los-- und Ausschlußverfahren bestimmt wurden. Die Auslosung der einundachtzig Männer, von denen nur einundfünfzig tatsächlich herangezogen werden würden, nahm Pompeius selbst vor. Die Zeugen sollten an drei aufeinanderfolgenden Tagen vernommen und am vierten Tag
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