MoR 05 - Rubikon
vereidigt werden. Alle Zeugen mußten ins Kreuzverhör. Am Ende des vierten Tages sollten die Namen der einundachtzig möglichen Geschworenen auf Holzkugeln geschrieben werden, die danach im Kellergewölbe unter dem Saturn-Tempel unter Verschluß kamen. Am Morgen des fünften Tages würden einundfünfzig Kugeln gezogen werden; gegen jeweils fünfzehn Namen konnten Anklage und Verteidigung Einspruch erheben.
Die Hauptzeugen der Anklage waren am ersten Tag Atticus’ Vetter Pomponius und Gaius Causinius Schola, die Freunde, die Clodius begleitet hatten. Marcus Marcellus nahm sie für die Verteidigung ins Kreuzverhör und zerlegte ihre Aussage nach Strich und Faden. Als Schola an der Reihe war, begannen deshalb ein paar von Cloelius’ Bandenmitgliedern einen Tumult, der es dem Gericht unmöglich machte, das Verhör zu verfolgen. Pompeius nahm an der Verhandlung nicht teil; er war vor dem Portal des Schatzamtes auf der anderen Seite des unteren Forums mit Steuerfällen beschäftigt. Ahenobarbus schickte ihm eine Nachricht, die besagte, er könne die Verhandlungen unter diesen Umständen nicht führen, und vertagte den Prozeß.
»Eine Schande!« sagte Cicero nach seiner Rückkehr nach Hause zu Terentia. »Ich hoffe wirklich, daß Pompeius das abstellt.«
»Das wird er sicher«, sagte Terentia zögernd; sie dachte an etwas anderes. »Tullia hat sich entschieden, Marcus. Sie wird sich unverzüglich von Crassipes scheiden lassen.«
»Warum kommt eigentlich immer alles zusammen? Bevor der Prozeß abgeschlossen ist, kann ich mich nicht um Verhandlungen mit Nero kümmern! Und das muß ich. Denn wie ich gehört habe, will Nero eine der Frauen um Claudia Pulchra heiraten.«
»Immer schön eins nach dem anderen«, sagte Terentia verdächtig sanft. »Erstens glaube ich nicht, daß Tullia gleich wieder heiraten will, zweitens glaube ich nicht, daß sie Nero mag.«
Cicero starrte sie böse an. »Sie tut, was ich sage!«
»Sie tut, was sie will!« fuhr Terentia auf, ihre Sanftmut wie weggeblasen. »Sie ist schließlich keine achtzehn mehr, Cicero, sie ist fünfundzwanzig, und du kannst sie nicht ständig mit Männern verheiraten, die sie nicht liebt und die du nur aussuchst, um deine eigene Karriere zu fördern!«
»Ich schreibe jetzt mein Plädoyer zu Milos Verteidigung!« rief Cicero verärgert und marschierte in sein Arbeitszimmer, ohne etwas gegessen zu haben.
Nur selten widmete der geniale Anwalt Cicero einer Rede soviel Zeit und Mühe wie der zu Milos Verteidigung. Schon in der ersten Fassung war sie hervorragend, und das mußte sie auch sein, denn die anderen Vertreter der Verteidigung hatten Cicero ihre Redezeit überlassen, und bei Cicero lag nun die alleinige Verantwortung dafür, die Geschworenen von der Unschuld des Angeklagten zu überzeugen. Er arbeitete einige Stunden lang konzentriert und naschte dazu von einem Teller mit Oliven, Eiern und gefüllten Gurken. Als er zu Bett ging, war er über den Fortschritt seiner Arbeit sehr zufrieden.
Als er am nächsten Morgen zum Forum ging, stellte er fest, daß Pompeius den Tumult der Bandenmitglieder wirkungsvoll, wenngleich mit extremen Maßnahmen, abgestellt hatte. Ein Ring von Soldaten hatte den Platz auf dem unteren Forum abgeriegelt, auf dem Ahenobarbus’ Gericht tagte, und außerhalb des Rings patrouillierten weitere Soldaten. Von den Banden war nichts mehr zu sehen. Cicero war begeistert; die Verhandlung konnte jetzt ungestört fortgesetzt werden, und Marcus Marcellus konnte Schola vollends fertigmachen!
Marcus Marcellus machte Schola zwar nicht fertig, aber es gelang ihm immerhin, dessen Aussage völlig zu verdrehen. Drei Tage lang wurden die Zeugen verhört, am vierten Tag wurden sie vereidigt. Am selben Tag wurden auch unter den Augen des Gerichts die Holzkugeln mit einundachtzig Namen von Senatoren, Rittern und tribuni aerarii beschriftet, darunter Marcus Porcius Cato, der sowohl Vertreter der Verteidigung als auch Geschworener war.
Ciceros Rede war fertig. Selten hatte er so gute Arbeit geleistet, was natürlich auch daran lag, daß die Kollegen von der Verteidigung ihm so großzügig ihre Zeit zur Verfügung gestellt hatten. Die Anklage bekam zwei Stunden für ihr Plädoyer, die Verteidigung drei — drei volle Stunden nur zu seiner Verfügung! Damit ließ sich etwas anfangen! Er konnte es kaum erwarten, mit seiner Rede zu triumphieren.
Er begab sich auf den Heimweg, der für einen Konsular von seiner Bedeutung immer einer Art Parade ähnelte. Seine
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