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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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öffnete die Augen wieder und starrte auf Pompeius’ schwabbeligen Rücken, der aufgrund der Wärme im Zimmer nur mit einer dünnen Tunika bedeckt war.
    »Pompeius, du verlangst von mir, einem Klienten in den Rücken zu fallen. Ich verstehe deine Gründe, wirklich. Aber ich kann nicht zulassen, daß der Prozeß manipuliert wird! Milo ist mein Freund, und ich werde mein Bestes für ihn geben, egal, wie die Sache ausgeht!«
    Pompeius betrachtete einen anderen Zentaur, in dessen menschlicher Brust ein von einem Lapithen geschleuderter Speer steckte. »Lebst du gerne, Cicero?« fragte er, ohne die Stimme zu erheben.
    Ciceros Zittern wurde stärker. Er wischte sich mit einer Falte seiner Toga den Schweiß von der Stirn. »Ja, das tue ich«, flüsterte er.
    »Das dachte ich mir. Du warst ja noch nicht zum zweiten Mal Konsul, und dann kannst du auch noch Zensor werden.« Der verwundete Zentaur war offenbar sehr interessant. Pompeius beugte sich vor, um die Stelle, wo der Speer die Brust getroffen hatte, genauer zu betrachten. »Aber es liegt an dir, Cicero. Wenn du morgen mit deinem Plädoyer einen Freispruch für Milo bewirkst, ist alles vorbei. Dann wird dein nächster Schlaf ein ewiger sein.«
    Pompeius öffnete einen Flügel der Tür und trat ins Freie. Cicero blieb mit klopfendem Herzen und zitternden Knien sitzen, die Unterlippe fest zwischen die Zähne gepreßt. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als er endlich aufstand. Vorsichtig belastete er seine Beine, machte einen Schritt, dann noch einen, und verließ Pompeius’ Villa.
    Erst am Fuße des Palatin verstand er das Ausmaß dessen, was Pompeius angedeutet hatte: daß Publius Clodius auf Pompeius’ Betreiben hin getötet worden war, daß Milo Pompeius’ Werkzeug gewesen war und jetzt nicht mehr gebraucht wurde und daß er, Cicero, bald genauso tot sein würde wie Publius Clodius, wenn er nicht tat, was Pompeius verlangte. Wer würde ihn in dessen Auftrag töten? Sextus Cloelius? Die Welt war voll von Pompeius’ Handlangern! Worauf wollte der Mann aus Picenum eigentlich hinaus? Und auf welcher Seite stand Caesar? Eines war sicher: Caesar hatte seine Hände im Spiel. Clodius hatte nicht Prätor werden dürfen und deshalb sterben müssen. Das hatten die beiden untereinander ausgemacht.
    In seinem dunklen Schlafzimmer angekommen, begann er zu weinen. Terentia bewegte sich, murmelte etwas und drehte sich auf die andere Seite. Cicero wickelte sich in eine dicke Decke, ging in den kalten Garten hinaus und weinte dort um Pompeius nicht weniger als um sich selbst. Den tatkräftigen, geschickten und bei allem seltsam gelassenen Siebzehnjährigen, den er während Pompeius Strabos Krieg gegen die picenischen Italiker kennengelernt hatte, gab es schon lange nicht mehr. Hatte Pompeius schon damals gewußt, daß er Cicero einmal brauchen würde? War er deshalb so freundlich zu ihm gewesen und hatte er deshalb damals sein Leben gerettet? Damit er ihm später einmal damit drohen konnte, ihm das gerettete Leben wieder wegzunehmen?

Schwere Ochsenkarren ratterten die ganze Nacht durch die engen Gassen und luden Waren ab, die am nächsten Tag, sobald Rom gähnend erwachte, in den Läden verkauft oder in einer Werkstatt oder Gießerei verarbeitet werden sollten.
    Als dagegen am fünften Tag des Prozesses gegen Milo vor Lucius Ahenobarbus’ Sondergericht die Sonne aufging, schien Rom wie ausgestorben. Pompeius hatte die Stadt buchstäblich geschlossen. Innerhalb der Servianischen Mauern entfaltete sich nicht das gewohnte geschäftige Treiben, keine Schenke zog die Rollgitter hoch, um Frühstück anzubieten, keine Taverne öffnete die Läden, und keine Bäckerei feuerte die Öfen an. Die Märkte blieben leer, an ruhigen Ecken wurde nicht wie sonst Schule abgehalten, Bankleute und Makler rasselten nicht mit ihren Abakussen, Buchhandlungen und Schmuckgeschäfte blieben geschlossen, weder Sklaven noch Freie gingen zur Arbeit, und auch kein collegium , keine Bruderschaft und kein sonstiger Verein versammelte sich, um den freien Tag zu gestalten.
    Die Stille war erdrückend. Alle Straßen, die zum Forum führten, wurden von finster dreinblickenden, wortkargen Soldaten abgesperrt, das Forum selbst strotzte von Speeren und den wallenden Helmbüschen der Legionäre der syrischen Legion. Zweitausend Mann bewachten an jenem eisigen neunten Tag des April das Forum, dreitausend die übrige Stadt. Zitternd vor Kälte und mit nervösen Blicken versammelten sich die etwas mehr als

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