MoR 05 - Rubikon
hundert Männer und wenigen Frauen, die dem Prozeß gegen Milo gezwungenermaßen beiwohnten.
Pompeius’ Gericht tagte bereits vor dem Eingang des Schatzamts unterhalb des Saturn-Tempels und sprach in steuerlichen Angelegenheiten Recht, als Ahenobarbus’ Liktoren die Holzkugeln aus dem Kellergewölbe holten und die Krüge für die Lose vorbereiteten. Marcus Antonius, der in Rom geblieben war, um an dem Prozeß teilzunehmen, lehnte verschiedene Geschworene im Namen der Anklage ab, Marcus Marcellus tat dasselbe für die Verteidigung. Als die Kugel mit Catos Namen gezogen wurde, nickten jedoch beide.
Nach zwei Stunden waren die einundfünfzig Männer ausgewählt, die die Plädoyers hören sollten. Danach hatte die Anklage zwei Stunden Zeit für ihre Reden. Der ältere Appius Claudius und Marcus Antonius sprachen je eine halbe Stunde, Publius Valerius eine Stunde. Sie hielten gute Reden, allerdings nicht von der Qualität eines Cicero.
Die Geschworenen beugten sich erwartungsvoll auf ihren Klappstühlen vor, als Cicero mit einer Schriftrolle in der Hand vortrat, um sein Plädoyer zu beginnen. Die Rolle hielt er nur der Wirkung wegen in der Hand, er hatte sie noch nie benutzt. Seine Reden klangen immer so lebhaft und fesselnd, als würde er sie sich spontan ausdenken. Wer hätte auch seine Rede gegen Gaius Verres vergessen können, oder seine Verteidigung des Caelius, des Cluentius oder des Roscius aus Ameria? Ob Mörder, Halunken, Ungeheuer — Cicero sprach unterschiedslos für sie alle. Sogar den schlimmen Antonius Hybrida hatte er aussehen lassen wie ein Musterbild der Tugend.
»Lucius Ahenobarbus, Geschworene, ich spreche heute zu euch als Vertreter des großen und guten Titus Annius Milo.«
Cicero hielt inne, sah Milo an, der sich ebenfalls erwartungsvoll vorgebeugt hatte, und schluckte. »Wie merkwürdig es ist, Soldaten als Zuhörer zu haben! Ich vermisse das übliche geschäftige Treiben... « Wieder hielt er inne und schluckte. »Aber wie klug von unserem Konsul Gnaeus Pompeius, dafür zu sorgen, daß nichts Ungehöriges passiert ist — passiert...« Er schluckte wieder. »Wir werden beschützt, wir haben nichts zu befürchten, und am allerwenigsten hat mein lieber Freund Milo etwas zu befürchten... « Er schwenkte die Rolle ziellos durch die Luft. »Publius Clodius war wahnsinnig, er hat gebrandschatzt und geplündert, ja, gebrandschatzt. Seht, was er aus unserer geliebten Curia Hostilia gemacht hat, aus der Basilica Porcia...« Cicero runzelte die Stirn und rieb sich mit den Fingern der einen Hand die Augen. »Basilica Porcia. .. Basilica Porcia... «
Die Stille war so absolut, daß das Klirren eines Speeres, der gegen einen Schild stieß, klang wie ein einstürzendes Gebäude. Milo starrte Cicero an, Marcus Antonius grinste, und Lucius Ahenobarbus’ Glatze blendete in der Sonne wie ein Schneefeld.
Er setzte erneut an. »Sollen wir denn für immer im Elend leben? Nein. Seit dem Tag, da Publius Clodius verbrannte, ist das vorbei. Publius Clodius’ Tod war für uns ein unbezahlbares Geschenk! Der Römer, der hier vor uns steht, hat sich nur verteidigt, er hat um sein Leben gekämpft. Er stand immer auf der Seite der wahren Freunde Roms, sein Zorn galt den vulgären Methoden der Volksverhetzer... « Er schluckte. »Publius Clodius trachtete Milo nach dem Leben, daran kann kein Zweifel sein, überhaupt kein Zweifel... überhaupt... kein Zweifel... kein... Zweifel... «
Caelius trat mit besorgtem Gesicht zu Cicero. »Es geht dir offenbar nicht gut, Cicero. Ich hole dir etwas Wein.«
Die braunen Augen, die ihn anstarrten, waren verschleiert. Er wußte nicht, ob sie ihn überhaupt sahen.
»Danke, es geht mir gut«, sagte Cicero und setzte erneut an. »Milo bestreitet nicht, daß es auf der Via Appia zum Kampf kam, er bestreitet nur, daß er damit angefangen hat. Er bestreitet auch nicht, daß Clodius starb, er bestreitet nur, daß er ihn umgebracht hat. Deshalb ist die Anklage gegen Milo gegenstandslos. Notwehr ist kein Verbrechen, sie war es noch nie. Ein Verbrecher handelt vorsätzlich, und das hat Clodius getan. Vorsätzlich gehandelt. Publius Clodius, er, nicht Milo, nein, nicht Milo... «
Wieder trat Caelius zu ihm. »Cicero, bitte, nimm einen Schluck Wein!«
»Nein, es geht mir gut, wirklich. Danke... Wie viele Leute hat Milo denn dabei gehabt? Einen Wagen, eine Frau, Quintus Fufius Calenus, Gepäck und einen Haufen Sklaven. Plant man so einen Mord? Clodius hatte keine Frau dabei. Ist das nicht
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