MoR 05 - Rubikon
entrollte das Schreiben und überflog es mit einem Blick.
»Wir müssen umplanen«, sagte er dann ruhig. »Wie kam der Brief hierher, und wie lange war er unterwegs?«
»Nur sechs Tage, obwohl er über die Küstenstraße kam. Fabius hat zwei Legionäre, die gut reiten können, mit Geld und offiziellen Papieren ausgestattet und losgeschickt. Sie haben ihre Sache gut gemacht.«
»Das haben sie wirklich.«
Caesar war wie verwandelt — eine Verwandlung, die Decimus Brutus und Hirtius seit langem vertraut, Lucius Caesar dagegen noch unbekannt war. Der weltgewandte Konsulat war verschwunden und an seine Stelle ein Mann getreten, der wie Gaius Marius knapp und konzentriert Befehle erteilte.
»Ich muß noch Briefe an Mamurra und Ventidius schreiben, deshalb ziehe ich mich jetzt zurück. Decimus, richte der Fünfzehnten Legion aus, sie soll bei Tagesanbruch abmarschbereit sein. Hirtius, du kümmerst dich um den Troß. Keine Ochsenwagen, wir laden alles auf Maultierwagen und Packesel. Bis Ligurien muß der Troß uns eingeholt haben, denn dort werden wir nicht genug zu essen finden. Wir benötigen Proviant für zehn Tage, auch wenn wir für die Strecke nach Nicaea keine zehn Tage brauchen. In zehn Tagen — und wenn die Fünfzehnte nur halb so gut wie die Zehnte ist, in weniger — sind wir bereits in Aquae Sextiae in Gallia Narbonensis.« Er wandte sich an Lucius. »Lucius, ich muß abrücken und bin in Eile. Du kannst, wenn du willst, in Ruhe weiterreisen. Ansonsten heißt es auch für dich: Abmarsch morgen früh bei Tagesanbruch.«
»Also morgen früh bei Tagesanbruch«, wiederholte Lucius Caesar und schlüpfte in seine Schuhe. »Ich gedenke keineswegs, mir dieses Abenteuer entgehen zu lassen, Gaius.«
Doch da war Gaius bereits verschwunden. Mit hochgezogenen Brauen sah Lucius Hirtius und Decimus Brutus an. »Sagt er euch nie, was er vorhat?«
»Das wird er schon noch.« Decimus Brutus stand auf und schlenderte hinaus.
»Sowie es nötig ist, informiert er uns«, sagte Hirtius, hakte sich bei Lucius Caesar ein und schob ihn sanft aus dem Eßzimmer. »Caesar verschwendet niemals Zeit. Heute wird er besonders schnell arbeiten, damit er alles in bester Ordnung hinterläßt, denn ich habe das Gefühl, daß wir nicht mehr nach Gallia Cisalpina zurückkehren. Morgen abend im Lager wird er uns aufklären.«
»Werden seine Liktoren den Marsch denn schaffen? Mir ist aufgefallen, daß schon die Reise auf der Via Aemilia sie völlig erschöpft hat, obwohl sie sich immerhin jeden zweiten Tag ausruhen konnten.«
»Ich habe schon oft gedacht, daß wir die Liktoren eigentlich zusammen mit den Legionären ins Ausbildungslager schicken sollten. Aber Spaß beiseite. Wenn Caesar es eilig hat, läßt er seine Liktoren zurück, ob er damit nun gegen die Verfassung verstößt oder nicht. Sie folgen in ihrem Tempo nach, und er hinterläßt ihnen Nachrichten, wo sie ihn finden können.«
»Und wie willst du in so kurzer Zeit genügend Maultiere auftreiben?«
Hirtius grinste. »Auch das gehört zu den Dingen in Caesars Armee, die du noch kennenlernen wirst, Lucius. Sämtliche Maultiere, die die Fünfzehnte Legion braucht, werden morgen früh an Ort und Stelle sein, und zwar ebenso frisch und erholt wie die Männer. Caesar erwartet, daß seine Legionen jederzeit abmarschbereit sind.«
Als Caesar, Lucius Caesar, Aulus Hirtius und Decimus Brutus am nächsten Morgen bei Tagesanbruch ins Lager ritten, hatte sich die Fünfzehnte Legion bereits in Kolonnen aufgestellt. Welche Bestürzung der Abmarschbefehl am Vorabend bei den Legionären auch ausgelöst haben mochte, jetzt, bei Marschbeginn, war davon nichts mehr zu spüren. Fast im selben Moment, in dem die Erste Kohorte hinter dem Feldherrn und seinen drei Legaten zu marschieren begann, setzte sich auch die Zehnte Kohorte am Zugende in Bewegung.
Die Legionäre marschierten zu acht nebeneinander, und die acht Legionäre einer Reihe belegten auch gemeinsam ein Zelt. Die für die angekündigte und dann ausgefallene Parade auf Hochglanz polierten Kettenhemden glänzten im Licht der Morgensonne. Jeder der barhäuptigen Männer hatte Schwert und Dolch umgeschnallt und trug in der rechten Hand den Wurfspieß. Sein Marschgepäck hing an einem T-- oder Y-förmigen Stock über der linken Schulter, zuunterst der in ein Fell eingeschlagene Schild, oben drauf der Helm. Jeder Legionär schleppte eine Fünftagesration Weizen, Kichererbsen oder andere Hülsenfrüchte und Speck mit, dazu ein Fläschchen
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