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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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dreihunderttausend Mann nach Alesia marschieren. Also müssen wir davon ausgehen, daß Vercingetorix siegt — oder vielmehr als unangefochtener König aus Alesia abzieht. Allein das wäre schon eine Schande und gäbe mir allen Grund, ihn herauszufordern. Konzentrieren wir uns also ausschließlich darauf, wie wir diesen jämmerlichen, ungebildeten Arverner stürzen können!«
    »Ja, darüber müssen wir nachdenken«, stimmte Surus zu, aber es klang alles andere als überzeugt.
    Sie schwiegen. Lautlos schritten sie mit ihren Schuhen aus weichem Leder über den dicken Moosteppich, der über den alten, mit Steinen gepflasterten Weg zum Hain Dagdas gewachsen war. Zwischen den Bäumen standen hölzerne Statuen von Gottheiten, langgesichtige, grotesk gedrungene Gestalten mit zum Boden reichenden Penissen, und starrten sie an.
    Unvermittelt drang eine Stimme an ihr Ohr. Sie schien aus der riesigen Eiche vor ihnen zu kommen, die so alt war, daß der erst später angelegte Weg sich teilte und rechts und links an ihr vorbei lief. Es war Cathbads Stimme.
    »Nach unserem Sieg in Alesia wird sich Vercingetorix von uns nichts mehr sagen lassen«, hörten sie Cathbad sagen.
    »Das ist mir schon seit einiger Zeit klar, Cathbad«, antwortete die Stimme von Gutruatus.
    Litaviccus packte Surus am Arm und hielt ihn zurück. Die beiden Haeduer blieben hinter der Eiche stehen und lauschten.
    »Er ist jung und ungestüm, zeigt aber auch schon selbstherrliche Züge. Ich fürchte, sobald er die Krone erst fest in der Hand hat, wird er den Druiden nicht mehr gehorchen, und dazu darf es auf keinen Fall kommen. Nur die Druiden können ein vereintes Gallien regieren. Sie sind die Hüter der Weisheit, sie machen die Gesetze und achten auf deren Einhaltung, sie sprechen Recht. Seitdem ich die Häuptlinge gezwungen habe, Vercingetorix zum König zu machen, habe ich viel nachgedacht. Es war richtig, einen König zu wählen, aber der König von Gallien sollte ein guter Krieger sein, nicht ein Autokrat, der nach und nach alle Macht an sich zieht. Doch genau das wird, so fürchte ich, nach Alesia passieren, Gutruatus.«
    »Er ist kein Carnute, Cathbad.«
    »Als erstes wird er die arvernischen Druiden in den Rat der Druiden berufen. Dadurch wird der Einfluß der carnutischen Druiden schwinden.«
    »Früher oder später werden die Arverner in allem über uns Carnuten bestimmen«, sagte Gutruatus.
    »Das darf auf keinen Fall geschehen.«
    »Ich stimme dir zu, der König von Gallien muß vor allem ein guter Krieger sein und außerdem Carnute.«
    »Litaviccus findet, der König von Gallien sollte Haeduer sein«, sagte Cathbad trocken.
    Gutruatus schnaubte verächtlich. »Litaviccus, Litaviccus! Er ist eine Schlange. Ich werde ihm mit meinem Schwert die Haare scheiteln.«
    »Alles zu seiner Zeit, Gutruatus. Das Wichtigste zuerst, und das Wichtigste ist der Sieg über Rom. Dann kommt Vercingetorix, der aus Alesia als Held hervorgehen wird. Deshalb muß er den Heldentod sterben, einen Tod, den die Arverner oder Haeduer nicht anderen Galliern in die Schuhe schieben können. Der Beltine ist vorbei, und der Lugnasad liegt vor uns. Bis Samhain ist es noch lang hin. Also — Samhain. Vielleicht fällt uns eine Rolle ein, die der neue König von Gallien zu Beginn der dunklen Monate spielen könnte, wenn die Ernte eingebracht ist und sich die Menschen versammeln, um den Segen für die Saat des nächsten Jahres zu erbitten. Ja — während des Samhain, hier in Carnutum... Vielleicht verschwindet der König von Gallien einfach im undurchdringlichen Nebel, oder er fährt in einem großen Schwanenboot auf dem Liger nach Westen davon. Vercingetorix muß ein Held bleiben, aber der Held einer Legende.«
    »Wozu ich mit dem größten Vergnügen beitrage«, sagte Gutruatus.
    »Davon bin ich überzeugt«, antwortete Cathbad. »Ich danke dir, Gutruatus.«
    »Wirst du jetzt die Zeichen deuten?«
    »Ja, zweimal. Einmal für das Heer und einmal nur für mich. Heute für mich, aber du kannst mitkommen.« Cathbads Stimme entfernte sich.
    Die beiden Haeduer blieben noch eine Weile hinter der Eiche stehen und sahen einander an. Dann nickte Litaviccus, und sie gingen weiter, allerdings nicht auf dem Weg, sondern zwischen den Eichen hindurch, bis sich eine verwunschene Lichtung vor ihnen öffnete, Dagdas Hain. Im Hintergrund waren von üppigen Moosflechten überzogene Felsblöcke überelnandergetürmt, aus deren Mitte eine Quelle in einen tiefen, kleinen See sprudelte. Taranis liebte

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