MoR 05 - Rubikon
einträglich wie die Arbeit mit Caesar sein würde. Zurück unter die Fuchtel des großen Bruders, seinen Mahnungen und Predigten! Manchmal war die Familie schon eine furchtbare Plage. Ach ja...
Es war Ende Februar, und es wurde zunehmend kälter. Noch immer glich Cenabum einer verkohlten Trümmerlandschaft, und Caesar konnte in das oppidum einziehen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Im Schutz der Mauern ließ er das Lager aufschlagen. Einige Soldaten kamen in den noch stehenden Häusern unter, die anderen deckten die Dächer ihrer Zelte mit Stroh ab und verstärkten die Wände mit Grasnarben gegen die Kälte.
Dann ritt Caesar nach Carnutum zu Cathbad, dem Oberhaupt der Druiden, der, wie Caesar fand, viel älter und abgehärmter aussah als damals vor vielen Jahren. Das leuchtend goldene Haar war zu einem stumpfen Graublond verblaßt, der Blick der blauen Augen erschöpft.
»Es war dumm, sich gegen mich aufzulehnen, Cathbad«, sagte er.
Er sieht wirklich jeder Zoll wie ein Sieger aus, dachte Cathbad. Gab es denn nichts, was diese unglaubliche Selbstsicherheit erschüttern konnte, die kraftvolle Energie, die dieser Mann ausstrahlte? Warum mußten die Tuatha Caesar schicken, um gegen die Gallier zu kämpfen? Warum ausgerechnet ihn, wo es in Rom doch von Nieten nur so wimmelte?
»Ich hatte keine andere Wahl«, entgegnete Cathbad. Stolz reckte er das Kinn empor. »Ich nehme an, du bist gekommen, um mich gefangenzunehmen, damit ich mit den anderen in deinem Triumphzug marschiere.«
Caesar lächelte. »Cathbad, Cathbad! Hältst du mich für einen Narren? Gefangene zu machen und aufständische Könige unschädlich zu machen, ist das eine. Aber die Priester eines Landes zu demütigen, wäre absoluter Wahnsinn. Du hast hoffentlich bemerkt, daß kein Druide verhaftet oder daran gehindert wurde, seiner Arbeit als Heiler oder Ratgeber nachzugehen. Das ist mein fester Grundsatz, und meine Legaten wissen das.«
»Warum haben die Tuatha dich geschickt?«
»Ich nehme an, sie haben einen Pakt mit Jupiter Optimus Maximus geschlossen. Genau wie in unserer Welt gibt es auch in der Welt der Götter bestimmte Gesetze und Regeln. Offenbar hatten die Tuatha das Gefühl, daß die Kräfte, die sie mit den Galliern verbanden, auf rätselhafte Weise schwanden. Nicht, weil es den Galliern an der Bereitschaft gemangelt hätte, die religiösen Gebote zu befolgen, nein, Cathbad, einfach deshalb, weil nichts bleibt, wie es ist. Die Welt ändert sich, die Menschen ändern sich, die Zeit kommt und geht. Nicht anders die Götter aller Völker. Vielleicht mögen die Tuatha keine Menschenopfer mehr, so wie auch andere Götter ihrer überdrüssig wurden. Ich glaube, auch die Götter bleiben nicht ewig dieselben, Cathbad.«
»Interessant, daß ein so politisch und praktisch denkender Mensch zugleich so tief religiös sein kann.«
»Ich glaube von ganzem Herzen an unsere Götter.«
»Und was ist mit deiner Seele?«
»Wir Römer glauben anders als ihr Druiden nicht an Seelen. Was den Körper überdauert, ist nur ein unbeseelter Schatten. Der Tod ist ein Schlaf.«
»Dann müßtet ihr ihn mehr fürchten als die, die glauben, daß es ein Leben danach gibt.«
»Ich glaube, wir fürchten ihn weniger.« Aus den blaßblauen Augen leuchteten plötzlich Kummer und Leidenschaft. »Weshalb sollte sich jemand noch mehr von alldem wünschen? Das Leben ist ein Tränental, ein schrecklicher, kräftezehrender Kampf. Jeder Zoll, den wir gewinnen, wirft uns eine Meile zurück. Das Leben will bezwungen werden, Cathbad, aber um welchen Preis! Um welchen Preis! Niemand wird mich je besiegen, weil ich es nicht zulasse. Ich glaube an mich, und ich habe meine Pläne.«
»Worin besteht dann das Tränental?« fragte Cathbad.
»In den Methoden, in der Halsstarrigkeit der Menschen, ihrem Mangel an Voraussicht, im Nichterkennen des besten, des würdevollsten Weges. Sieben lange Jahre habe ich versucht, deinem Volk begreiflich zu machen, daß es nicht siegen kann, daß es sich der Zukunft Galliens wegen unterwerfen muß. Aber was machen die Gallier statt dessen? Sie stürzen sich in mein Feuer wie Motten ins Licht, sie zwingen mich, noch mehr von ihnen zu töten, noch mehr von ihnen zu versklaven, noch mehr Häuser, Dörfer und Städte zu zerstören. Ich würde viel lieber sanfter, milder vorgehen, aber sie lassen mich nicht.«
»Die Antwort ist einfach, Caesar. Da sie nicht aufgeben werden, mußt du es tun. Du hast Gallien ein Bewußtsein seiner Identität, seiner Macht
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