MoR 05 - Rubikon
junge Quintus Hortensius, genauso alt wie Brutus und im Senat bereits fest etabliert, erhob sich und bot Cato mit wahrer hortensianischer Höflichkeit seinen Stuhl an.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte Hortensius mit belegter Stimme. »Heute morgen hatte ich einen Schlaganfall, jetzt kann ich die linke Seite nicht mehr bewegen. Ich kann zwar noch sprechen, aber die Zunge ist schwer. Was für ein Schicksal für mich, wie? Es dauert nicht mehr lange. Bald kommt der nächste Schlag.«
Cato schlug die Decken ein Stück zurück und nahm tröstend die unruhig zupfende Rechte von Hortensius in seine Hand. Mitleiderregend klammerte sich Hortensius fest.
»Ich habe dich in meinem Testament bedacht, Cato.«
»Du weißt, daß ich keine Erbschaften annehme, Quintus Hortensius.«
»Kein Geld, nein.« Der Sterbende kicherte. »Ich wußte, daß du kein Geld nehmen würdest. Aber das wirst du annehmen.« Er schloß die Augen und schien einzudösen.
Während Cato die Hand des Alten hielt, hatte er Zeit, sich im Zimmer umzusehen, was er mit eiserner Entschlossenheit tat. Ja, Marcia war da, zusammen mit drei anderen Frauen.
Hortensia kannte er gut. Sie war die Witwe seines Bruders Caepio, die nie wieder geheiratet hatte. Neben ihr stand ihre gemeinsame Tochter Servilia; sie war, wie Cato entsetzt feststellte, bereits im heiratsfähigen Alter — wie hatte die Zeit so schnell vergehen können? War es denn schon so lange her, daß Caepio gestorben war? Kein sympathisches Mädchen, die junge Servilia. Ob es am Namen lag, daß alle Servilias ähnlich veranlagt waren? Die dritte Frau, Lutatia, war die Gattin des jungen Quintus Hortensius. Als Tochter des Catulus war sie eine Cousine ersten Grades ihres Mannes. Sie war ungemein stolz und auf eine kalte Art schön.
Marcia hielt die Augen auf einen Leuchter in der entferntesten Zimmerecke gerichtet, so daß Cato sie ansehen konnte, ohne fürchten zu müssen, ihrem Blick zu begegnen. Er war nicht imstande, die Gesichtszüge eines geliebten Menschen aus dem Gedächtnis heraufzubeschwören, was ihm besonders seit dem Tod seines Bruders Caepio zu schaffen machte, und jetzt starrte er Marcia erstaunt an. Hatte sie tatsächlich so ausgesehen?
Er begann mit lauter, barscher Stimme zu sprechen. Hortensius fuhr zusammen, öffnete die Augen und lächelte Cato demütig an.
»Quintus Hortensius liegt im Sterben«, sagte Cato zu den Frauen. »Holt euch Stühle und setzt euch so, daß er euch sehen kann, Marcia und Servilia hier neben mich, Hortensia und Lutatia auf die andere Seite des Bettes. Es ist dem Sterbenden ein Trost, seine Angehörigen um sich versammelt zu sehen.«
Der junge Quintus Hortensius, der jetzt zwischen seiner Frau und seiner Schwester saß, hatte die gelähmte Linke seines Vaters in die Hände genommen. Für den Nachkommen eines ausgesprochen unmilitärischen Mannes war er ein recht soldatischer Bursche. Dasselbe ließ sich auch von Ciceros Sohn sagen; Söhne schienen ihren Vätern nicht nachzuschlagen. Catos Sohn war weder soldatisch noch tapfer oder politisch interessiert. Seltsam, daß sowohl er, Cato, als auch Hortensius Töchter gezeugt hatten, die bedeutend besser geeignet waren, in die Fußstapfen der Familie zu treten. Hortensia las viel, kannte sich in juristischen Belangen glänzend aus und war eine gute Rednerin. Und Porcia hätte Catos Platz im Senat und in der Öffentlichkeit übernehmen können.
Cato hatte die Familie so um das Bett herum gruppiert, daß er Marcia nicht anschauen mußte, obwohl er sich ihrer körperlichen Nähe — nur eine Handbreit trennte sie voneinander — nur zu bewußt war.
So saßen sie stundenlang, merkten kaum, daß bei Einbruch der Dunkelheit Diener hereinkamen, um die Lampen anzuzünden, und verließen das Bett höchstens, um kurz die Latrine aufzusuchen. Alle blickten auf den Sterbenden, dessen Augen bei Sonnenuntergang wieder zugefallen waren. Um Mitternacht erlitt Hortensius, ohne daß jemand es bemerkte, einen zweiten Schlaganfall, der die lebenswichtigen Teile seines Gehirns abtötete. Nur die sinkende Temperatur seiner Hand verriet Cato, was geschehen war. Cato atmete tief ein, dann wand er seine tauben Finger vorsichtig aus der starren Umklammerung und stand auf.
»Quintus Hortensius ist tot«, sagte er. Er langte über das Bett, um Hortensius’ schlaffe Linke aus der Hand seines Sohnes zu lösen und die Hände des Toten über der Brust zu falten. »Steck ihm die Münze in den Mund, Quintus.«
»Wie friedlich er
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