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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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gestorben ist!« staunte Hortensia.
    »Warum nicht?« fragte Cato und verließ das Zimmer, um sich in die Einsamkeit des winterlichen Gartens zurückzuziehen.
    Nachdem er eine Weile die Wege entlanggeschritten war, hatten sich seine Augen an die Dunkelheit der mondlosen, bewölkten Nacht gewöhnt. Er wollte so lange draußen bleiben, bis das Totenbett den Leichenbestattern übergeben worden war, und dann, ohne noch einmal ins Haus zurückzukehren, durchs Gartentor auf die Straße schlüpfen. Er dachte nicht an Quintus Hortensius Hortalus, er dachte an Marcia.
    Sie nahm so unvermutet Gestalt vor ihm an, daß er nach Luft schnappte. Und dann zählte nichts mehr, nicht die vergangenen Jahre, nicht der betagte Ehemann, nicht die Einsamkeit. Marcia drängte sich in seine Arme, nahm sein Gesicht in die Hände und lächelte zu ihm auf.
    »Mein Exil ist vorbei«, sagte sie und bot ihm den Mund zum Kuß.
    Er küßte sie, von Schuldgefühlen gepeinigt. All die Leidenschaft und die aufgestauten Gefühle brachen aus ihm heraus und übermannten ihn mit einer solchen Heftigkeit, wie er es seit jenen längst vergessenen Tagen vor Caepios Tod nicht mehr erlebt hatte. Tränen strömten ihm über das Gesicht, und Marcia leckte sie mit der Zunge ab; er riß an ihrem schwarzen Kleid und sie an seinem, und selbstvergessen sanken sie auf den gefrorenen Boden. Nicht ein einziges Mal in den beiden Jahren, die sie bei ihm gewesen war, hatte er sie so leidenschaftlich, so rückhaltlos geliebt wie jetzt, überwältigt von der Macht seiner Gefühle. Der Damm war gebrochen, und die ganze strenge Disziplin seiner selbstauferlegten Moral konnte ihn nicht daran hindern, sich einem Glück hinzugeben, von dessen Existenz er nichts geahnt hatte, hier mit ihr und in ihr, immer und immer wieder.
    Es dämmerte bereits, als sie sich trennten. Die ganze Zeit hatten sie kein Wort gesprochen, und auch jetzt schwiegen sie, als er sich losriß und durch den Garten auf die belebte Straße trat, während sie ihre Kleider irgendwie ordnete und unbemerkt in ihre Zimmer eilte. Ein Gefühl unaussprechlichen Triumphes erfüllte sie. Vielleicht, dachte sie, war ihr Exil für Cato der einzige Weg gewesen, mit seinen Gefühlen für sie zurechtzukommen. Lächelnd begab sie sich ins Bad.
    Philippus, der Cato an diesem Morgen besuchte, rieb sich verwundert die müden Augenlider, als er Roms berühmtesten Stoiker vor Leben sprühend und noch dazu lächelnd antraf.
    »Biete mir bloß nichts von dieser gräßlichen Pisse an, die du Wein nennst«, sagte er, als er auf einem Stuhl Platz nahm.
    Cato setzte sich an seinen schäbigen Schreibtisch und wartete.
    »Ich bin der Testamentsvollstrecker von Quintus Hortensius«, erklärte sein sichtlich gereizter Besucher.
    »Richtig, Quintus Hortensius sprach von einer Hinterlassenschaft.«
    »Hinterlassenschaft? Ich würde es eher ein Geschenk der Götter nennen!«
    Cato zog fragend die hellroten Augenbrauen in die Höhe. »Ich bin ganz Ohr, Lucius Marcius«, sagte er. Seine Augen funkelten.
    »Was ist eigentlich heute morgen mit dir los, Cato?«
    »Nichts.«
    »Den Eindruck habe ich nicht, aber du bist ein seltsamer Kauz.«
    »Stimmt, das war ich schon immer.«
    Philippus holte tief Luft. »Hortensius hat dir den gesamten Inhalt seines Weinkellers hinterlassen.«
    »Wie reizend von ihm. Kein Wunder, daß er meinte, ich würde annehmen.« »Aber im Grunde ist es dir egal, oder?«
    »Da irrst du dich gewaltig, Lucius Marcius. Ich freue mich sehr darüber.«
    »Weißt du eigentlich, was Quintus Hortensius in seinem Keller hat?«
    »Ein paar exzellente Weine, könnte ich mir vorstellen.«
    »Ja, die hat er in der Tat! Aber weißt du, wie viele Amphoren?«
    »Nein, woher auch.«
    »Zehntausend!« Philippus’ Stimme überschlug sich. »Zehntausend Amphoren mit den besten Weinen der Welt, und wem hinterläßt er sie — ausgerechnet dir! Dem größten Kostverächter von ganz Rom!«
    »Ich verstehe, wie dir zumute sein muß, Philippus.« Cato beugte sich vor und legte Philippus die Hand aufs Knie — eine Geste, die Philippus an Cato so überraschte, daß er sein Bein beinahe weggezogen hätte. »Hör zu, Philippus, ich schlage dir ein Geschäft vor.«
    »Ein Geschäft?«
    »Ja, ein Geschäft. Ich kann unmöglich zehntausend Amphoren in meinem Haus unterbringen, und wenn ich den Wein in Tusculum einlagere, würde ich ihn bald an Diebe verlieren. Deshalb nehme ich mir die fünfhundert schlechtesten Amphoren aus dem Keller des armen Hortensius

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