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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Porcia mit verbundenen Augen. Ihr zehnjähriger Stiefsohn tollte um sie herum, zupfte an ihrem Kleid, um schon im nächsten Moment wie erstarrt stehenzubleiben, während sie tastend und kichernd nur wenige Schritte entfernt an ihm vorbeiging. Dann lachte er und stürzte davon, und sie nahm erneut seine Verfolgung auf.
    Brutus’ Herz verkrampfte sich. Warum hatte er nicht eine große Schwester wie Porcia haben können? Jemanden zum Spielen, Herumalbern und Lachen? Oder so eine Mutter? Er kannte einige Männer, die solche Mütter hatten und heute noch mit ihnen herumtobten, wenn sich die Gelegenheit ergab. Wie wunderbar es für den kleinen Lucius Bibulus sein mußte, eine Stiefmutter wie Porcia zu haben, ein so liebenswertes Trampeltier.
    »Ist jemand zu Hause?« rief er.
    Die beiden blieben stehen und drehten sich um. Porcia riß sich die Augenbinde herunter und quietschte vor Vernügen. Gefolgt von dem kleinen Lucius eilte sie zu Brutus und umarmte ihn so stürmisch, daß er vom Boden abhob.
    »Brutus!« rief sie und setzte ihn wieder ab. »Lucius, das ist mein Vetter Brutus. Kennst du ihn?«
    Lucius nickte, sichtlich weniger begeistert von Brutus’ Auftauchen als seine Stiefmutter.
    »Ave , Lucius«, sagte Brutus und lächelte, um zu zeigen, daß er schöne Zähne hatte und sein Lächeln in einem weniger abstoßenden Gesicht einen gewissen Charme gehabt hätte. »Tut mir leid, wenn ich dir den Spaß verderbe, aber ich muß unter vier Augen mit Porcia sprechen.«
    Lucius nickte betrübt und ging.
    »Ist er nicht ein lieber Kerl?« fragte Porcia. Sie führte Brutus in ihr Wohnzimmer. »Und ist es nicht schön hier? Ich habe so viel Platz, Brutus!«
    »Es heißt doch, daß Pflanzen und Lebewesen die Leere verabscheuen, und wie ich sehe, stimmt das genau. Hier ist jedenfalls kein leerer Fleck mehr.«
    »Ich weiß, ich weiß! Bibulus liegt mir ständig in den Ohren, ich solle ordentlicher werden, aber ich fürchte, das liegt mir einfach nicht.«
    Sie setzte sich auf einen Stuhl, und er folgte ihrem Beispiel. Wenigstens beschäftigte Bibulus genügend Personal, um dafür zu sorgen, daß das Chaos seiner Frau abgestaubt wurde und nichts auf den Stühlen lag, dachte er.
    Wie er feststellte, hatte sich ihr Geschmack in Sachen Kleider nicht gebessert. Sie trug eines ihrer sackartigen, schmutzigbraunen Gewänder, das die Breite ihrer Schultern betonte und sie wie eine kriegerische Amazone aussehen ließ. Doch ihre feuerrote Mähne war beträchtlich länger und noch viel schöner geworden, und die großen grauen Augen leuchteten genauso ernst, wie er sie in Erinnerung hatte.
    »Schön, daß du da bist«, sagte sie lächelnd.
    »Das ist es, Porcia.«
    »Warum hast du mich nicht schon früher besucht? Bibulus ist mittlerweile fast ein Jahr fort.«
    »Es schickt sich nicht, eine Frau in Abwesenheit ihres Mannes zu besuchen.«
    Sie runzelte die Stirn. »Das ist doch lächerlich!«
    »Immerhin sind seine beiden ersten Frauen ihm untreu gewesen.«
    »Was hat das mit mir zu tun, Brutus? Wäre Lucius nicht gewesen, ich wäre vor Einsamkeit gestorben.«
    »Immerhin hast du Lucius.«
    »Ich habe seinen Lehrer entlassen — einen völligen Schwachkopf! Jetzt unterrichte ich Lucius selbst, und er macht unglaubliche Fortschritte. Wissen läßt sich nicht einprügeln, man muß Begeisterung dafür wecken.«
    »Man sieht, daß er dich liebt.«
    »Und ich liebe ihn.«
    Zwar war Brutus aus einem anderen Anlaß gekommen, aber da er noch mehr über die verheiratete Porcia erfahren wollte und wußte, daß er dazu keine Gelegenheit mehr haben würde, sobald er die Nachricht vom Tod der beiden Söhne des Bibulus überbrachte, fragte er: »Wie gefällt dir das Leben als Ehefrau?«
    »Sehr gut.«
    »Und was gefällt dir daran am besten?«
    »Die Freiheit.« Sie lachte übermütig. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie herrlich es ist, in einem Haus ohne Athenodorus Cordylion und Statyllus zu leben! Ich weiß, daß Papa die beiden überaus schätzt, aber ich konnte das nie. Du kannst dir nicht vorstellen, wie eifersüchtig sie waren! Jedesmal, wenn es so aussah, als könnte ich einen kurzen Moment mit ihm allein verbringen, kamen sie angerannt und verdarben alles. In all den Jahren, in denen ich mit Papa unter einem Dach lebte, war ich nie mit ihm allein — nie ohne seine griechischen Schmarotzer. Wie ich sie haßte, diese Kleingeister! Und sie haben ihn zum Trinken angestachelt.«
    Das meiste von dem, was sie sagt, stimmt, dachte Brutus, aber nicht

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