Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
kontrollierbar. Das Schlimmste war die Ungewißheit: Wer hatte recht, wer sagte die Wahrheit? Standen wirklich vier Legionen in Gallia Cisalpina? Wenn ja, warum hatte sie dann niemand gesehen? Und wenn nein, warum wurde das nicht öffentlich klargestellt? Ging es Leuten wie Cato und den Marcelli einzig und allein darum, Caesar eine Lektion zu erteilen? Und was für eine Lektion überhaupt? Was genau hatte Caesar eigentlich verbrochen? Was geschah mit Rom, wenn man Caesar in absentia für das Konsulat kandidieren ließ und nicht des Hochverrats anklagte, wie die boni es unbedingt wollten? In Rom würde alles beim alten bleiben. Wohingegen ein Bürgerkrieg die größte Katastrophe wäre. Und wie es aussah, würde dieser Bürgerkrieg nur um eines Prinzips willen geführt werden. Für einen Geschäftsmann gab es aber nichts Unverständlicheres und Unwichtigeres als ein Prinzip. Deswegen einen Krieg führen? Wahnsinn! Also begannen die Ritter, Druck auf empfängliche Senatoren auszuüben; sie sollten Caesar entgegenkommen.
    Aber auch wenn viele Senatoren geneigt waren, der finanzkräftigen Lobby Gehör zu schenken, die Hardliner unter den boni waren es nicht; Geld bedeutete für Cato oder die Marcelli nichts, verglichen mit dem schweren Verlust von Prestige und Einfluß, den sie in aller Augen erleiden würden, wenn Caesar den Kampf um Gleichbehandlung mit Pompeius gewann. Wo stand überhaupt Pompeius, der in Kampanien noch immer dem Müßiggang frönte? Alles deutete auf ein Bündnis mit den boni , aber nicht wenige glaubten, dieses Bündnis ließe sich sprengen, wenn man Pompeius lange genug bearbeitete.
    Ende November verließ der neue Statthalter Kilikiens, Publius Sestius, gemeinsam mit seinem ersten Legaten Brutus Rom. Brutus’ Abreise hinterließ im Leben seiner Cousine Porcia eine trostlose Leere, was sich vom Leben seiner Frau Claudia, die ihn kaum zu Gesicht bekam, nicht behaupten ließ. Und Servilia war mit ihrem Schwiegersohn Gaius Cassius wesentlich enger befreundet, als sie es jemals mit ihrem Sohn gewesen war; Cassius entsprach ihrer Vorliebe für Tatmenschen, für Männer, die als Soldaten glänzten. Aus diesem Grund setzte sie auch die Liaison mit Lucius Pontius Aquila diskret fort.
    »Ich bin sicher, daß ich Bibulus auf dem Weg nach Osten begegne«, sagte Brutus zu Porcia, als er sich von ihr verabschiedete. »Er ist in Ephesus und wird dort wahrscheinlich abwarten, was in Rom passiert — ich meine, was Caesar macht.«
    Porcia weinte bitterlich, obwohl sie wußte, daß sich das nicht gehörte. »Ach Brutus, wie soll ich es hier aushalten, wenn ich dich nicht mehr zum Reden habe? Außer dir ist niemand nett zu mir! Immer wenn ich Tante Servilia begegne, nörgelt sie an meiner Kleidung und meinem Aussehen herum, und immer wenn ich Papa sehe, ist er zwar körperlich anwesend, aber in Gedanken bei Caesar, Caesar und noch einmal Caesar. Und Tante Porcia hat nie Zeit, weil sie zu beschäftigt mit ihren Kindern und Lucius Domitius ist. Du dagegen warst immer so nett, so liebevoll. Wie werde ich dich vermissen!«
    »Aber Marcia ist doch jetzt wieder bei deinem Vater, Porcia. Das ändert bestimmt einiges. Sie ist kein herzloser Mensch.«
    »Das weiß ich ja selbst«, heulte Porcia und zog trotz des Taschentuchs von Brutus, mit dem sie ständig herumfuchtelte, laut die Nase hoch. »Aber sie hat immer nur Augen für Papa, genau wie damals, als sie das erste Mal verheiratet waren. Ich existiere überhaupt nicht für sie. Niemand existiert für sie, außer Papa!« Sie schluchzte immer heftiger. »Brutus, ich will, daß mich auch jemand liebt! Aber keiner tut es! Keiner!«
    »Was ist mit Lucius?« fragte er mit zugeschnürter Kehle. Wußte er nicht genau, wie ihr zumute war, er, der auch nie geliebt worden war? Die Mißgeburten und die Häßlichen wurden verachtet, auch von denen, die sie trotz ihrer Mängel hätten lieben müssen.
    »Lucius wird älter, er entfernt sich von mir.« Porcia wischte sich die Tränen fort. »Ich verstehe das und würde es nie mißbilligen. Es ist völlig normal, daß er sich ändert. Seit einigen Monaten zieht er die Gesellschaft meines Vaters der meinen vor. Politik ist ihm wichtiger als Kinderspiele.«
    »Aber bald ist Bibulus wieder zu Hause.«
    »Wirklich? Glaubst du das wirklich, Brutus? Warum denke ich dann immer, ich sehe ihn nie wieder?«
    Brutus stellte fest, daß auch er dieses Gefühl hatte. Warum, wußte er nicht. Außer, daß Rom plötzlich ein unerträglicher Ort schien,

Weitere Kostenlose Bücher