MoR 05 - Rubikon
Gaius Marcellus! Du Abschaum auf Roms Tümpeln, du Dreck aus den römischen Kloaken! Lügner, Lügner, Lügner!«
»Die Sitzung ist geschlossen!« brüllte Marcellus. Er stieß Curio so heftig zur Seite, daß dieser taumelte, und stürmte aus dem Tempel.
»Lügen, nichts als Lügen!« schrie Curio weiter auf die noch Anwesenden ein. »Der Zweite Konsul hat gelogen, Pompeius zuliebe! Pompeius will weder seine Provinzen noch seine Armee verlieren! Pompeius, Pompeius, Pompeius! Macht die Augen auf! Nehmt euren Verstand zusammen! Marcellus hat gelogen! Er hat gelogen, um Pompeius zu schützen! Caesar ist nicht in Placentia! Es gibt keine vier Legionen in Placentia!«
Doch niemand hörte ihm zu, und die Senatoren eilten in Panik hinaus.
»Ach Antonius!« schluchzte Curio, als sie allein im SaturnTempel zurückblieben. »Ich hätte nie gedacht, daß Marcellus so weit gehen würde — bisher habe ich noch nie erlebt, daß er gelogen hat! Er hat alles kaputtgemacht! Was immer jetzt in Rom geschieht, beruht auf einer Lüge!«
»Und wer daran schuld ist, weißt du ja, Curio«, knurrte Antonius. »Es ist dieser Scheißkerl Pompeius! Marcellus ist ein Lügner, aber Pompeius ist ein Kriecher. Auch wenn er es nicht zugibt, er würde niemals seine Stellung als Erster Mann von Rom aufgeben.«
»Wo ist Caesar denn?« jammerte Curio. »Die Götter mögen verhüten, daß er immer noch in Nemetocenna weilt!«
»Wärst du heute morgen nicht so früh aus dem Haus gegangen, um im Forum herumzutönen, hättest du seinen Brief noch bekommen«, sagte Antonius. »Wir haben beide einen erhalten. Caesar ist nicht mehr in Nemetocenna. Er ist nur so lange dort geblieben, bis Trebonius und die vier Legionen an die Mosa zwischen Treverer und Remer verlegt waren. Dann reiste er zu Fabius, der mittlerweile mit den vier anderen Legionen in Bibracte ist. Jetzt ist er in Ravenna.«
Verblüfft riß Curio den Mund auf. »In Ravenna? Das kann nicht sein!«
»Hm!« brummte Antonius. »Er reist schnell wie der Wind und diesmal ohne eine Legion im Schlepptau. Die Legionen sind alle noch dort, wo sie sein sollten, nämlich jenseits der Alpen. Aber er ist in Ravenna.«
»Was tun wir jetzt? Was sagen wir ihm?«
»Die Wahrheit«, meinte Antonius gelassen. »Wir sind nur seine Helfer, Curio, vergiß das nicht. Die Entscheidungen trifft er.«
Gaius Claudius Marcellus der Ältere hatte eine Entscheidung getroffen. Sobald er den Senat entlassen hatte, machte er sich, begleitet von Cato, Ahenobarbus, Metellus Scipio und den beiden designierten Konsuln, seinem Vetter Gaius Marcellus dem Jüngeren und Lentulus Crus, auf den Weg zu Pompeius’ Villa auf dem Marsfeld. Auf halber Strecke holte sie der von Marcellus dem Älteren eilig zu seinem Haus auf dem Palatin geschickte Diener ein, das Schwert seines Herrn in Händen. Es handelte sich um das zwei Fuß lange, zweischneidige und sehr scharfe römische Schwert, wie es die meisten Adligen besaßen; von den Schwertern gewöhnlicher Soldaten unterschied es sich durch seine kostbar gearbeitete silberne Scheide und den zu einem römischen Adler geschnitzten Griff aus Elfenbein.
Pompeius erwartete sie persönlich an der Tür und führte sie in sein Arbeitszimmer, wo ein Diener ihnen Wasser und Wein einschenkte — allen bis auf Cato, der das Wasser angewidert ablehnte. Pompeius wartete inzwischen ungeduldig; er hatte der Delegation nichts anbieten wollen, doch hatten die Männer ausgesehen, als könnten sie dringend etwas zu trinken gebrauchen.
»Nun?« fragte er gebieterisch. »Was ist passiert?«
Als Antwort überreichte Marcellus der Ältere ihm schweigend sein in der Scheide steckendes Schwert. Pompeius nahm es bestürzt und starrte es an, als hätte er noch nie ein Schwert gesehen.
Er befeuchtete sich die Lippen. »Was hat das zu bedeuten?« fragte er unruhig.
»Gnaeus Pompeius Magnus«, sagte Marcellus feierlich. »Hiermit ermächtige ich dich, Rom im Auftrag des Senats und des römischen Volkes gegen Gaius Julius Caesar zu verteidigen. Im Namen des Senats und des römischen Volkes übertrage ich dir offiziell die Verfügungsgewalt über die beiden von Caesar nach Capua geschickten Legionen, die Sechste und die Fünfzehnte, und beauftrage dich ferner, mit der Rekrutierung weiterer Legionen zu beginnen, bis du dein eigenes Heer aus Spanien zurückholen kannst. Es wird Bürgerkrieg geben.«
Die glänzenden blauen Augen weit aufgerissen, starrte Pompeius wieder auf das Schwert; abermals fuhr er sich mit
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