MoR 05 - Rubikon
ausgeheckt hatte.
»Ich muß herausfinden, was die Menschen von mir denken und was sie für mich empfinden«, hatte er zu Metellus Scipio gesagt.
»Werde ich gebraucht? Werde ich geliebt? Bin ich noch der Erste Mann? Cornelia macht eine Liste von allen Besuchern, die nach mir fragen, zusammen mit einem Bericht über das, was sie sagen. So erfahre ich, was ich wissen muß.«
Der Verstand von Metellus Scipio zeichnete sich bedauerlicherweise nicht durch besonderen Scharfsinn aus, so daß ihm nicht einfiel, Pompeius darauf hinzuweisen, daß natürlich alle Besucher überschwenglich von tiefer Zuneigung zu ihm sprechen würden, was aber nicht der Wahrheit entsprechen mußte. Genausowenig wäre ihm in den Sinn gekommen, daß mindestens die Hälfte der Besucher Pompeius den Tod wünschten.
So vergnügten sich die beiden damit, Cornelia Metellas Liste zu lesen, Würfel, Dame und Domino zu spielen und getrennt ihren verschiedenen Interessen nachzugehen. Pompeius las — nicht gerade mit Vergnügen — immer wieder Caesars Bücher über den gallischen Krieg. Dieser verdammte Kerl war nicht nur ein militärisches Genie, er verfügte auch über ein Selbstbewußtsein, wie Pompeius es nie besessen hatte. Caesar raufte sich bei einem Rückschlag nicht die Haare und zog sich verzweifelt in sein Feldherrnzelt zurück, er machte einfach weiter. Und warum hatte ausgerechnet er so hervorragende Legaten? Wären Afranius und Petreius in Spanien nur halb so fähige Männer wie Trebonius oder Fabius oder Decimus Brutus gewesen — Pompeius hätte hoffnungsfroher in die Zukunft geblickt. Metellus Scipio dagegen vertrieb sich seine Freizeit damit, ergötzliche kleine Stücke mit nackten Schauspielern und Schauspielerinnen zu verfassen, bei denen er dann selbst Regie führte.
Pompeius’ schwere Krankheit dauerte einen Monat. Dann, Mitte Sextilis, schlüpfte Pompeius in eine Sänfte und begab sich zu seiner Villa auf dem Marsfeld. Die Nachricht von seinem bedenklichen Zustand hatte sich herumgesprochen, und so wurde er überall von seinen Klienten begrüßt (da er nicht wirklich krank werden wollte, nahm er den gesünderen Weg über die Via Latina im Landesinnern). Sie strömten in Scharen herbei, um ihn zu begrüßen, und wenn er den Kopf durch den Vorhang seiner Sänfte steckte, matt lächelte und kraftlos winkte, ließen sie ihn hochleben. Da er ungern in einer Sänfte reiste, beschloß er, die Reise bei Nacht fortzusetzen, damit er einige der endlosen, langweiligen Stunden wenigstens schlafen konnte. Doch wie er glücklich überrascht feststellen mußte, kamen die Menschen weiterhin, um ihn zu begrüßen und hochleben zu lassen, und ihre Fackeln machten seine Reise zu einem Triumphzug.
»Wahrhaftig!« sagte er freudestrahlend zu Metellus Scipio, mit dem er die geräumige Sänfte teilte (Cornelia Metella, die keine Lust hatte, sich ständig Pompeius’ amouröser Annäherungsversuche erwehren zu müssen, hatte es vorgezogen, allein zu reisen). »Sie lieben mich, Scipio! Sie lieben mich wirklich! Es stimmt, was ich immer gesagt habe!«
»Und was hast du gesagt?« fragte Metellus Scipio gähnend.
»Daß ich, wenn ich in Italia Truppen aufstellen will, nichts weiter tun muß, als mit dem Fuß aufzustampfen.«
»Hm«, brummte Metellus Scipio und schlief ein.
Pompeius schlief nicht. Er zog die Vorhänge so weit zur Seite, daß man ihn sehen konnte, lehnte sich mit dem Rücken an einen Berg von Kissen und lächelte und winkte Meile für Meile. Es stimmte wahrhaftig! Das Volk von Italia liebte ihn. Weshalb also sollte er Caesar fürchten? Caesar hatte keine Chance, selbst wenn er so dumm war und nach Rom marschierte. Was er natürlich nicht tun würde. Tief im Innersten wußte Pompeius nur zu gut, daß solche Methoden nicht zu Caesar paßten. Statt dessen würde Caesar im Senat und auf dem Forum kämpfen — und, wenn die Zeit kam, vor Gericht. Denn Caesar mußte zu Fall gebracht werden. Darin stimmte Pompeius mit den boni überein; er wußte, daß Caesars Laufbahn als Feldherr noch keineswegs beendet war und daß Caesar, wenn man ihn nicht daran hinderte, ihn, Pompeius, weit hinter sich lassen und zuletzt Caesar der Große heißen würde — ohne daß er sich diesen Beinamen selbst geben mußte.
Woher er das wußte? Weil Titus Labienus, der in aller Bescheidenheit hoffte, daß sein Gönner Gnaeus Pompeius Magnus ihm den bedauerlichen Ausrutscher mit Murcia Tertia längst verziehen hatte, ihm geschrieben hatte. Caesar, schrieb er, habe
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