MoR 05 - Rubikon
sich inzwischen gegen ihn gestellt — aus Neid natürlich. Caesar ertrage nun einmal niemanden neben sich, der eigenverantwortlich handle und so erfolgreich wie Titus Labienus sei. Folglich würde es auch nicht zu dem versprochenen gemeinsamen Konsulat mit Caesar kommen. Caesar habe ihm bei der Überquerung der Alpen Richtung Gallia Cisalpina mitgeteilt, daß er ihn nach dem Ende seiner Statthalterschaft in Gallien sofort fallen lassen würde. Einen Marsch auf Rom habe Caesar allerdings nie ernstlich in Erwägung gezogen, das wisse er, Titus Labienus, genau. Caesar habe nie den Wunsch erkennen lassen, die Regierung zu stürzen, noch habe einer seiner Legaten von Trebonius bis Hirtius entsprechende Andeutungen gemacht. Nein — alles, was Caesar wolle, sei ein zweites Konsulat und anschließend im Osten einen erfolgreichen Feldzug gegen die Parther, um seinen toten Freund Marcus Licinius Crassus zu rächen.
Pompeius hatte während seiner selbstauferlegten Isolation, von der nur Metellus Scipio ausgenommen war, lange über dieses Schreiben nachgedacht. Seinem Schwiegervater hatte er nichts davon gesagt.
Verpa! Cunnus! Mentula! schimpfte Pompeius, während ein brutales Grinsen um seine Lippen spielte. Wie konnte Titus Labienus glauben, er wäre so wichtig, daß ihm verziehen würde? Nichts war ihm verziehen worden, und nichts würde ihm je verziehen werden, dem Ehebrecher! Andererseits könnte er sich noch als sehr nützlich erweisen. Afranius und Petreius wurden alt und waren ihren Aufgaben immer weniger gewachsen. Warum sollte er sie nicht einfach durch Titus Labienus ersetzen, der es genau wie sie niemals mit Pompeius dem Großen würde aufnehmen können und der sich nie würde Labienus der Große nennen dürfen?
Ein Feldzug im Osten gegen die Parther... Darauf also zielte Caesars Ehrgeiz! Klug, wirklich klug. Caesar wollte sich nicht in Rom aufreiben lassen, sondern statt dessen als Roms größter Feldherr aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Nach der Eroberung von Gallia Comata wollte er die Parther besiegen und den Provinzen des römischen Reichs riesige neue Gebiete hinzufügen. Wie konnte er, Pompeius, sich damit messen? Hatte er sich doch darauf beschränkt, über römisches oder römisch verwaltetes Gebiet zu marschieren und gegen alte Feinde Roms, Männer wie Mithridates und Tigranes, zu kämpfen. Dagegen war Caesar ein Neuerer. Er ging in Gegenden, die vor ihm noch kein Römer betreten hatte. Und mit Caesar als Oberbefehlshaber von elf — nein, neun ihm blind ergebenen Legionen würde es keine Niederlage wie bei Carrhae geben. Caesar würde die Parther haushoch schlagen. Er würde ins ferne Serica ziehen, von Indien ganz zu schweigen! Er würde Länder betreten und Völker zu Gesicht bekommen, deren Existenz nicht einmal Alexander der Große in seinen kühnsten Träumen geahnt hatte. Er würde König Orodes nach Rom bringen und in seinem Triumphzug mitführen. Und Rom würde ihn anbeten.
Nein, Caesar mußte verschwinden. Man mußte ihm seine Armee und seine Provinzen wegnehmen und ihn so oft vor Gericht verurteilen, daß er sich in Italia nie wieder blicken lassen konnte. Labienus, der ihn kannte und neun Jahre an seiner Seite gekämpft hatte, meinte, Caesar würde niemals nach Rom marschieren, eine Einschätzung, die sich mit Pompeius’ eigener deckte. Deshalb beschloß er, aufgerichtet durch den begeisterten Jubel der Menschen über seine Genesung, nichts zu unternehmen, um die boni in Gestalt von Cato und den Marcelli zurückzuhalten. Sollten sie ruhig weitermachen. Und überhaupt, warum sollte man ihnen nicht helfen, indem man sowohl unter den Reichen wie im Senat einige Gerüchte ausstreute? Etwa, daß Caesar seine anderen Legionen über die Alpen nach Gallia Cisalpina bringen wollte, um mit ihnen nach Rom zu marschieren! Von Panik erfaßt, würde Rom Caesar jede Bitte abschlagen! Und zuletzt würde der hochmütige Patrizier, dessen Stammbaum angeblich bis zur Göttin Venus zurückreichte, sich höchst würdevoll für immer ins Exil zurückziehen müssen.
In der Zwischenzeit, dachte Pompeius, würde er den Zensor Appius Claudius aufsuchen und ihm zu verstehen geben, daß es das sicherste wäre, die meisten von Caesars Anhängern aus dem Senat zu vertreiben. Appius Claudius würde sich das nicht zweimal sagen lassen — und zu weit gehen, denn zweifellos würde er auch versuchen, Curio auszuschließen. Dagegen würde der andere Zensor Lucius Piso sein Veto einlegen; gegen den Ausschluß der
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