MoR 05 - Rubikon
nur einer Generation zugrunde gegangen, Alexandria aber würde bis in alle Ewigkeit bestehen. Die Stadt schien dem geblendeten Auge des Pompeius von Göttern geschaffen, nicht von gewöhnlichen Sterblichen. Die Häuser leuchteten weiß und in bunten Farben, und überall spendeten sorgfältig nach Größe und Umfang ausgesuchte Bäume kühlen Schatten.
Und erst der große Leuchtturm auf der Insel Pharos! Sechseckig, mit weiß schimmerndem Marmor verkleidet und größer als jedes Bauwerk, das Pompeius gesehen hatte. Ein wahres Weltwunder! Das Meer, das ihn umgab, war aquamarinblau, und der sandige Grund leuchtete durch das kristallklare Wasser. Und die Luft! Wie Balsam! Eine Liebkosung auf der Haut! Auf dem Heptastadion, dem Damm, der die Insel Pharos mit dem Festland verband, konnte man fast eine Meile lang auf prachtvollem weißen Marmor wandeln; auf halber Strecke unterbrachen den Damm zwei Bögen, weit und hoch genug, daß auch große Schiffe hindurchfahren konnten.
Unmittelbar vor ihm ragte der große Königspalast auf. An einer Seite stieß er an eine steil aus dem Meer ragende Klippe, die einst eine Festung gewesen war, in deren Höhlung sich aber nun ein muschelförmiges Amphitheater schmiegte. Was für ein Palast, dachte Gnaeus Pompeius, so gewaltig, daß die Burg von Pergamon daneben zu völliger Bedeutungslosigkeit verblaßte. Die vielen hundert Säulen wirkten auf den ersten Blick dorisch, waren aber höher, dicker und über und über mit lebhaften Bildern bemalt, die jeweils die Höhe einer Säulentrommel hatten. Und anders als die Griechen, die ihre Bauwerke direkt auf dem Boden errichteten, hatten die Alexandriner ihre Palastanlage wie die Römer auf ein dreißig Stufen hohes Steinpodest gestellt. Und dann die Palmen! Die einen hatten Blätter wie zierliche Fächer, andere waren gedrungen und spitz, und wieder andere trugen federgleiche Wedel.
In einem Zustand der Verzückung legte Gnaeus Pompeius im königlichen Hafen an. Nachdem auch die Begleitschiffe angelegt hatten, hüllte er sich in die purpurgesäumte Toga, die ihm aufgrund seines proprätorischen Imperiums zustand, und machte sich hinter seinen sechs in karmesinrote Togen gekleideten Liktoren mit ihren Rutenbündeln auf den Weg zum Palast, um Königin Kleopatra die Siebte um Unterkunft und eine Audienz zu bitten.
Kleopatra hatte mit siebzehn Jahren den Thron bestiegen, jetzt war sie fast zwanzig.
Die zwei Jahre ihrer Regentschaft waren voller Triumphe, aber auch voller Schwierigkeiten und Gefahren gewesen. Zunächst war sie auf ihrer riesigen, goldenen Barke mit dem goldbestickten Purpursegel den Nil hinabgeglitten, und die Eingeborenen hatten sich vor ihr und ihrem neun Jahre alten Brudergemahl auf die Knie geworfen. In Hermonthis wohnte sie im Festschmuck der Pharaonen, aber nur mit der hohen, weißen Krone Oberägyptens angetan, inmitten eines Meeres blumengeschmückter Flöße der Heimführung des heiligen Buchis-Stieres bei. Anschließend fuhr sie an den Ruinen Thebens vorbei zum Ersten Katarakt und zur Nilinsel Elephantine mit ihrem Nilometer, wo sie an dem Tag eintraf, an dem die endgültige Höhe der großen Überschwemmung gemessen werden konnte.
Denn jährlich zu Sommeranfang schwoll der Nil auf wundersame Weise an, trat über die Ufer und breitete eine Decke schwarzen, fruchtbaren Schlammes über die Felder des siebenhundert Meilen langen, aber zumeist nur fünf Meilen breiten Königreiches. In Ellen gemessen, gab es drei Pegel der Überschwemmung: Übersättigung, Fülle und Tod. Gemessen wurden der Pegel in den Nilometern, einer Reihe stufenförmig gegrabener Schächte am Ufer des Stromes. Die Nilschwelle brauchte einen Monat, um vom Ersten Katarakt zum Mündungsdelta fortzuschreiten, und deshalb war es so wichtig, das Nilometer bei Elephantine abzulesen: Es gab Auskunft darüber, welche Art der Überschwemmung das Königreich in dem betreffenden Sommer zu erwarten hatte. Im Herbst zog sich der Fluß dann wieder hinter seine Ufer zurück.
In jenem ersten Jahr von Kleopatras Herrschaft war der Pegel der Fülle abgelesen worden, ein gutes Omen für die neue Monarchin. Tatsächlich erwachte das eigentliche Ägypten — nicht das Ägypten des Deltas, sondern das entlang des Stromes — unter dem Zepter der neuen Königin und Pharaonin zu neuem Leben.
Die äußerst mächtige Gruppe der ägyptischen Priester hatte schon immer eine schicksalhafte Rolle im Leben der ptolemäischen Regenten gespielt, der Nachfahren des ersten
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