MoR 05 - Rubikon
passierbar seien.
Da traf Marcus Junius Brutus aus Kilikien ein.
Warum der Anblick seines melancholischen und so ausgesprochen unkriegerischen Gesichtes Pompeius veranlaßte, Brutus zu umarmen und sein Gesicht weinend in dessen langen, schwarzen Locken zu vergraben, vermochte Pompeius hinterher nicht mehr zu sagen. Vielleicht weil er wußte, daß der Bürgerkrieg von Anfang an nichts war als eine Aufeinanderfolge von verhängnisvollen Fehlern, widersprüchlichen Meinungen, ungerechtfertigten Vorwürfen, Ungehorsam und Zweifel. Und mitten in dieses ganze Unglück trat nun Brutus, diese sanftmütige, unkriegerische Seele, Brutus, der nicht meckern und mäkeln würde, der nicht versuchen würde, die Macht an sich zu reißen.
»Ist Kilikien auf unserer Seite?« fragte Pompeius, als er sich wieder gefaßt hatte. Er schenkte Brutus mit Wasser verdünnten Wein ein und drückte ihn in seinen bequemsten Sessel.
»Leider nein«, antwortete Brutus betrübt. »Publius Sestius sagt, er werde Caesar nicht aktiv unterstützen, ihn aber auch nicht angreifen. Aus Tarsus ist also keine Hilfe zu erwarten.«
»Beim Jupiter!« Pompeius ballte die Fäuste. »Ich brauche die kilikische Legion!«
»Du wirst noch genügend Legionen bekommen, Pompeius. Als die Nachricht eintraf, du hättest Italia verlassen, habe ich die kappadokische Legion, die ich wegen König Ariobarzanes’ säumiger Darlehensrückzahlungen übernommen habe, nicht nach Tarsus, sondern an den Hellespont geschickt. Sie wird sich dir in deinem Winterlager anschließen.«
»Brutus, du bist der Größte!« Pompeius nahm einen kräftigen Schluck, leckte sich die Lippen und lehnte sich befriedigt zurück.
»Das bringt mich auf ein anderes, sehr viel wichtigeres Thema«, sagte er. »Du bist der reichste Mann in Rom, und ich habe nicht genug Geld, diesen Krieg zu führen. Ich bin dabei, meinen Besitz in Italia zu veräußern, die anderen tun dasselbe. Natürlich erwarte ich nicht, daß du dein Haus in Rom verkaufst oder gar deine sämtlichen Ländereien. Ich brauche lediglich ein Darlehen von viertausend Talenten. Wenn wir den Krieg erst gewonnen haben, können wir Rom und Italia zwischen uns aufteilen. Ich verspreche dir, es wird nicht zu deinem Nachteil sein.«
Brutus’ Augen, die ernst und freundlich auf Pompeius gerichtet waren, weiteten sich und füllten sich mit Tränen. »Nein, Pompeius, das traue ich mich nicht!«
»Du traust dich nicht?«
»Ich traue mich nicht, wirklich! Meine Mutter... sie würde mich umbringen!«
Pompeius starrte ihn verblüfft an. »Du bist ein Mann von vierunddreißig Jahren, Brutus! Dein Vermögen gehört dir, nicht Servilia!«
»Sag du ihr das!« entgegnete Brutus zitternd.
»Aber... aber es ist doch ganz einfach, Brutus. Tu es einfach!«
»Das geht nicht. Sie würde mich umbringen.«
Und von dieser Überzeugung war Brutus nicht abzubringen. In Tränen stolperte er hinaus. Auf dem Weg nach draußen stieß er mit Labienus zusammen.
»Was ist denn mit dem los?«
Pompeius rang immer noch nach Luft. »Ich fasse es nicht! Dieser Weichling hat sich gerade geweigert, uns auch nur einen einzigen Sesterz zu leihen! Dabei ist er der reichste Mann in ganz Italia. Aber nein, er traut sich nicht, weil er Angst vor seiner Mutter hat!«
Labienus brach in schallendes Gelächter aus. »Gut gemacht, Brutus!« sagte er, als er wieder sprechen konnte, und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Er hat dich ausgetrickst, Magnus! Servilia ist für ihn der perfekte Vorwand. Um nichts auf der Welt würde er sich von seinem Geld trennen!«
Anfang Juni hatte Pompeius seine Armee nahe der Stadt Beroia einquartiert und selbst vierzig Meilen weiter in Thessalonike, der schwer befestigten Hauptstadt Makedoniens, zusammen mit seinem Gefolge aus Konsularen und Senatoren den Palast des Statthalters bezogen.
Die Lage sah inzwischen sehr viel freundlicher aus. Zusätzlich zu den fünf Legionen, die Pompeius aus Brundisium mitgebracht hatte, hatte er nun eine Legion römischer Veteranen, die sich auf Kreta und in Makedonien niedergelassen hatten, die kilikische Legion, die allerdings unterbesetzt war, und zwei Legionen, die Lentulus Crus in der Provinz Asia ausgehoben hatte. Außerdem tröpfelten allmählich auch Truppen anderer Herrscher ein: von König Deiotarus Fußsoldaten und einige tausend Reiter, von dem schwer verschuldeten König Ariobarzanes von Kappadokien, der Pompeius noch mehr schuldete als Brutus, eine Legion Fußsoldaten und tausend Berittene,
Weitere Kostenlose Bücher