MoR 05 - Rubikon
schreiben und ihn zu fragen, ob er nicht einen Anteil an der Provision fordern sollte, die Vertico unzweifelhaft von den willigen Frauen einbehielt, deren Zahl stetig anschwoll, als das Wort von der im Lager der Neunten geübten Freigebigkeit die Runde machte.
Die Neunte Legion bestand aus erfahrenen Veteranen, die während der letzten fünf Monate von Caesars Konsulat im italischen Gallien ausgehoben worden waren. Sie hatten sich, wie sie gern sagten, den Weg vom Rhodanus zum Oceanus Atlanticus und von der Garumna in Aquitania bis zur Mündung der Mosa in Belgica erkämpft. Trotzdem waren sie erst um die dreiundzwanzig Jahre alt, abgebrühte junge Männer, die nichts mehr erschrecken konnte. Vom Aussehen her waren sie den Menschen verwandt, gegen die sie seit fünf Jahren kämpften, denn Caesar hatte sie aus dem Gebiet nördlich des Padus im italischen Gallien geholt, dessen Einwohner von jenen Galliern abstammten, die einige Jahrhunderte zuvor in Italia eingefallen waren. Sie waren also eher groß und hatten blonde oder rote Haare und helle Augen. Die Blutsverwandtschaft machte sie freilich nicht zu Freunden der langhaarigen Gallier, im Gegenteil, diese waren ihnen verhaßt, egal ob Belgen oder Kelten. Soldaten können Achtung vor ihrem Gegner empfinden, aber Liebe oder gar Mitleid lassen sich nicht mit ihrem Beruf vereinen. Ohne Haß sind sie keine guten Soldaten.
Quintus Cicero wußte nicht nur nichts vom Schicksal der Dreizehnten, er hatte auch keine Ahnung, daß Ambiorix in den Ratsversammlungen der Nervier intrigierte, um auf dem Weg zu den Verhandlungen mit den Treverern noch möglichst viel Unfrieden zu säen. Ambiorix’ Methode war einfach und äußerst wirksam; als er erfuhr, daß die Frauen der Nervier scharenweise ins Winterlager der Neunten eilten, um etwas Geld zu verdienen (einer Sache, zu der sie sonst kaum Zugang hatten), war es ein leichtes, die Nervier aufzuwiegeln.
»Habt ihr wirklich nichts dagegen, euren Schwanz dort reinzustecken, wo vor euch ein römischer Schwanz steckte?« fragte er, die blauen Augen erstaunt aufgerissen. »Sind eure Kinder wirklich von euch? Werden sie später einmal nervisch oder lateinisch sprechen? Trinken sie später Wein oder Bier? Streichen sie Butter aufs Brot oder tunken sie es in Olivenöl? Hören sie den Liedern eines Druiden zu oder sehen sie lieber eine römische Satire?«
Ambiorix war einige Tage lang in seinem Element. Sodann erbot er sich, Quintus Cicero aufzusuchen und bei ihm dieselbe List wie bei Sabinus zu versuchen. Doch Quintus Cicero war nicht Sabinus; er empfing Ambiorix’ Gesandte nicht einmal, und als sie darauf bestanden, ihn zu sprechen, ließ er ihnen durch einen Boten barsch ausrichten, er verhandle nicht mit Galliern, mochten sie noch so vornehm sein, sie sollten also bitte verschwinden und ihn in Ruhe lassen (seine tatsächlichen Worte waren weniger höflich).
»Sehr zartfühlend«, kommentierte Ciceros rangältester Zenturio Titus Pullo und grinste breit.
»Bah!« sagte Quintus Cicero und verlagerte das Gewicht seines mageren Körpers auf seinem elfenbeinernen Amtsstuhl. »Ich bin hier, um eine Arbeit zu erledigen, nicht um einem Haufen aufgeblasener Wilder in den Hintern zu kriechen. Wenn sie verhandeln wollen, sollen sie zu Caesar gehen. Dafür ist er zuständig, nicht ich.«
»Das Interessante an Quintus Cicero«, sagte Pullo zu seinem Kameraden, dem pilus prior Lucius Vorenus, »ist, daß er so etwas sagen kann und im nächsten Augenblick wieder so nett zu Vertico ist wie ein guter Schluck Falerner, ohne sich je eines Widerspruchs bewußt zu sein.«
»Er mag Vertico eben«, sagte Vorenus, »deshalb ist Vertico für ihn kein arroganter Wilder. Wenn du erst Quintus Ciceros Freund bist, ist es egal, was du sonst noch bist.«
Mehr oder weniger dasselbe sagte Quintus Cicero in dem Brief, den er an seinen großen Bruder in Rom schrieb. Sie korrespondierten seit Jahren, weil alle gebildeten Römer den anderen gebildeten Römern lange Briefe schrieben. Sogar gewöhnliche Legionäre schrieben regelmäßig nach Hause und teilten ihren Familien mit, wie es ihnen ging, was sie getan und wo sie gekämpft hatten und ob die Kameraden in ihrem Zelt nett waren. Viele konnten bereits bei Dienstantritt lesen und schreiben, andere entdeckten spätestens im Winterlager, daß ein Teil der Zeit dem Unterricht in diesen Dingen gewidmet war, besonders unter Feldherrn wie Caesar, der als Kind auf Gaius Marius’ Knie gesessen und alles aufgesogen
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