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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Besseres fällt mir nicht ein. Sie durchsuchen jede Körperöffnung, jedes Kleidungsstück und jede Haarsträhne. Aber wenn die Umwicklung des Speeres nicht beschädigt ist, glaube ich nicht, daß sie sie abnehmen.«
    Vorenus und Pullo nickten; Quintus Cicero nickte ebenfalls und verschwand hinkend in seinem hölzernen Haus, das noch nicht abgebrannt war. Dort setzte er sich hin, nahm das dünnste Blatt Papier, das er finden konnte, und begann in winzigen griechischen Buchstaben zu schreiben.
    Ich schreibe auf Griechisch, weil sie Latein können. Dringend. Werden seit dreißig Tagen von Nerviern angegriffen. Wasser und Latrinen verseucht, Männer krank. Halten durch, ich weiß nicht wie, aber wahrscheinlich nicht mehr lange. Nervier haben römische Ausrüstung, schießen Brandsätze ins Lager. Proviant großenteils verbrannt. Schicke Hilfe, sonst ist es mit uns zu Ende. Quintus Tullius Cicero Legatus.
    Verticos Leibeigener sah in jeder Beziehung aus wie ein nervischer Krieger, der er unter anderen Umständen auch gewesen wäre. Doch Leibeigene waren lediglich bessere Sklaven; sie durften gefoltert werden, und es war undenkbar, daß sie für den Stamm kämpften. Ihre Aufgabe war aufgrund ihrer niedrigen Stellung die Feldarbeit. Doch dieser Mann wirkte ruhig und selbstbewußt. Ja, dachte Quintus Cicero, er wäre ein guter Krieger gewesen. Pech für die Nervier, wenn sie ihren Leibeigenen nicht erlauben zu kämpfen, und ein Glück für mich und die Neunte. Der Mann könnte es schaffen.
    »Gut«, sagte er, »Caesar bekommt also vielleicht unsere Nachricht, aber wie verständigt er dann uns? Ich muß meinen Männern sagen können, daß Hilfe kommt, sonst geben sie aus lauter Verzweiflung auf. Caesar wird Zeit brauchen, um genügend Legionen zu sammeln, aber ich muß sagen können, daß Hilfe unterwegs ist.«
    Vertico lächelte. »Eine Nachricht ins Lager zu schmuggeln ist weniger schwer als umgekehrt. Ich sage meinem Leibeigenen, er soll bei seiner Rückkehr an dem Speer mit Caesars Antwort eine gelbe Feder befestigen.«
    »Aber das fällt doch auf!« rief Pullo entsetzt.
    »Hoffentlich. Ich glaube aber nicht, daß jemand so genau hinsieht, wenn die Speere ins Lager fliegen.« Vertico grinste. »Keine Sorge, ich sage ihm, er soll die Feder erst dranmachen, wenn er wirft.«

    Caesar bekam den Speer, zwei Tage nachdem der nervische Leibeigene die nervischen Linien passiert hatte.
    Der Wald südlich von Quintus Ciceros Lager war so dicht, daß ein Bote mit dringender Mission nicht schnell genug vorankam; der Nervier hatte deshalb wohl oder übel die Straße nach Samarobriva benutzen müssen. Sie war so schwer bewacht, daß er früher oder später angehalten werden mußte, auch wenn er die ersten drei Posten geschickt umging. Der vierte hielt ihn an. Er wurde ausgezogen, und Körper, Haare und Kleider wurden gründlich untersucht. Die Umwicklung des Speers sah freilich unversehrt aus, und die Nachricht darunter blieb unentdeckt. Der Leibeigene hatte sich mit einem Stück rauher Rinde die Stirn blutig gekratzt, so daß es aussah, als habe ein Schlag seine Stirn getroffen. Er torkelte, murmelte, rollte mit den Augen, ließ die Suche unwillig über sich ergehen und versuchte, den Anführer der Wache zu küssen. Dieser hielt ihn für hoffnungslos verwirrt und ließ ihn schließlich lachend südwärts ziehen.
    Am frühen Abend traf er erschöpft in Samarobriva ein. Im Lager brach sofort hektische Aktivität aus, ohne daß jedoch die Disziplin darunter gelitten hätte. Ein Bote galoppierte zu dem fünfundzwanzig Meilen entfernten Marcus Crassus; dieser sollte die Achte im Schnellschritt nach Samarobriva führen, um dort das Lager in Abwesenheit des Feldherrn zu halten. Ein zweiter Bote galoppierte nach Portus Itius zu Gaius Fabius, der mit der Siebten zum Gebiet der Atrebaten aufbrechen sollte; Caesar wollte ihn am Ufer des Scaldis treffen. Ein dritter Bote galoppierte zum Lager des Labienus an der Mosa, um ihn zu unterrichten. Caesar befahl seinem Stellvertreter nicht, sich der Expedition anzuschließen; er überließ die Entscheidung Labienus, der sich, wie er insgeheim befürchtete, in einer ähnlichen Situation wie Quintus Cicero befinden mochte.
    Als der Morgen graute, sah man in Samarobriva in der Ferne die Kolonne der Achten von Marcus Crassus. Caesar brach daraufhin sofort mit der Zehnten auf.
    Zwei Legionen, beide etwas unter Sollstärke: das war alles, was der Feldherr als Hilfe für Quintus Cicero aufbieten konnte.

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