MoR 05 - Rubikon
Neuntausend wertvolle Legionäre, erfahrene Veteranen. Dumme Fehler durften jetzt nicht mehr passieren. Wie viele Nervier? Fünfzigtausend waren einige Jahre zuvor auf dem Schlachtfeld geblieben, aber es war ein großer Stamm. Gut möglich, daß noch einmal fünfzigtausend das Lager der Neunten belagerten. Eine gute Legion, die Neunte. Und noch nicht vernichtet!
Fabius traf pünktlich am Scaldis ein. Es war, als handelte es sich um ein kompliziertes Manöver auf dem Marsfeld; nicht einmal eine Stunde mußten sie aufeinander warten. Noch siebzig Meilen. Aber wie viele Nervier? Neuntausend Männer, auch erfahrene Soldaten, hatten gegen sie in offener Feldschlacht keine Chance.
Caesar hatte den nervischen Leibeigenen, der nicht reiten konnte, in einem Einspänner vorausgeschickt, so weit er es wagte, und ihn angewiesen, den Speer mit seiner Antwort und einer gelben Feder in Quintus Ciceros Lager zu werfen. Doch der Nervier war Leibeigener, kein Krieger. Er warf zwar mit aller Kraft, in der Hoffnung, den Speer über die Brustwehr ins römische Lager zu bekommen, doch blieb der Speer dort, wo die Palisaden an die Brustwehr stießen, stecken und wurde erst zwei Tage später entdeckt.
Quintus Cicero bekam ihn, nur wenige Stunden bevor eine Rauchsäule über den Bäumen Caesars Ankunft ankündigte. Er hatte schon verzweifeln wollen, weil niemand einen Speer mit einer gelben Feder gesehen hatte, obwohl alle danach Ausschau gehalten hatten, bis ihnen das Wasser in die Augen trat und sie sich eingebildet hatten, überall etwas Gelbes zu sehen.
Bin unterwegs. Nur neuntausend Mann. Kann nicht gleich angreifen, muß erst Stelle finden, an der neuntausend viele Tausend besiegen können. Einen Ort wie Aquae Sextiae. Wie viele sind es? Bitte nähere Informationen. Dein Griechisch ist gut, überraschend flüssig. Gaius Julius Caesar Imperator.
Der Anblick der gelben Feder versetzte die erschöpfte Neunte in einen Taumel der Begeisterung, und Quintus Cicero bekam einen Heulanfall. Er vergaß seinen schmerzenden Rücken und das behinderte Bein, wischte mit einer unbeschreiblich schmutzigen Hand über sein ebenfalls schmutziges Gesicht, setzte sich und schrieb Caesar, während Vertico den nächsten Speer und Boten bereitmachte.
Schätze sie auf sechzigtausend, der gesamte Stamm ist aufgeboten. Nicht alle sind Nervier. Sehe auch viele Menapier und Condruser, deshalb so viele. Wir halten durch. Finde dein Aquae Sextiae. Die Gallier werden allmählich leichtsinnig, sie haben uns ja praktisch schon im Käfig, in dem sie uns bei lebendigem Leibe verbrennen. Sie trinken mehr, sind weniger kampflustig. Dein Griechisch ist auch nicht schlecht. Quintus Tullius Cicero Legatus Superstes.
Caesar bekam den Brief um Mitternacht. Die Nervier hatten sich zusammengezogen, um ihn anzugreifen, doch war die Dunkelheit dazwischengekommen, und in dieser Nacht waren keine Wachen unterwegs, um Boten abzufangen. Die Legionäre der Zehnten und Siebten brannten darauf zu kämpfen, doch Caesar wollte zuerst einen Platz finden, auf dem er ein Lager bauen konnte ähnlich dem, vor dem vor über fünf zig Jahren Gaius Marius und seine siebenunddreißigtausend Mannen hundertachtzigtausend Teutonen besiegt hatten.
Er brauchte noch zwei Tage, bis er sein Aquae Sextiae gefunden hatte, doch dann fielen die Zehnte und die Siebte über die Nervier her — und ließen keine Gnade walten. Quintus Cicero hatte recht gehabt. Die Dauer der Belagerung und ihre Erfolglosigkeit hatten Moral und Geduld der Nervier ausgehöhlt. Die Nervier tranken viel, ohne viel zu essen; den beiden verbündeten Stämmen, die erst später zu ihnen gestoßen waren, erging es in Caesars Aquae Sextiae dagegen besser.
Das Lager der Neunten war fast vollkommen zerstört. Die meisten Häuser waren zu Asche verbrannt, und Maultiere und Ochsen irrten hungrig umher und verstärkten mit ihrem Wiehern und Muhen das wilde Gebrüll, das Caesar und seine beiden Legionen beim Einmarsch ins Lager begrüßte. Nicht einmal einer von zehn war unverletzt, und alle waren krank.
Die Zehnte und die Siebte machten sich tatkräftig an die Arbeit, lenkten das saubere, klare Wasser des Baches wieder ins Lager zurück, rissen munter die Palisaden ein, um Feuer zu machen und Wasser für Bäder zu erhitzen, wuschen die dreckigen Kleider der Soldaten, versorgten die Tiere, so gut es ging, und suchten in der Umgebung nach Nahrungsmitteln. Der Troß brachte genug Proviant, um Männer und Tiere zu sättigen, und Caesar
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