MoR 05 - Rubikon
— um die Finanzen des Statthalters; er konnte also Bücher fälschen, Steuerbefreiungen verkaufen und Verträge manipulieren. Auch als einer der drei Quästoren der Stadt Rom konnte er profitieren; er verwaltete die Finanzen des Schatzamtes und konnte gegen eine entsprechende Summe Eintragungen ändern und Schulden streichen oder jemandem Beträge aus der Staatskasse zukommen lassen, die diesem eigentlich nicht zustanden. Der ewig verschuldete Marcus Antonius lechzte also danach, seine Quästur anzutreten.
Doch kein Statthalter hatte nach ihm verlangt, was ihn entschieden störte. Caesar, der großzügigste aller Statthalter, war sein Vetter ersten Grades und hätte ihn schon deshalb bitten müssen. Er hatte ja auch die Söhne von Marcus Crassus für sich arbeiten lassen, deren Anspruch nur auf der engen Freundschaft zwischen ihrem Vater und Caesar beruhte. Und in diesem Jahr hatte Caesar unbedingt Servilias Sohn Brutus gewollt — der aber zu seinem Leidwesen abgelehnt hatte. Brutus’ Onkel Cato hatte das natürlich in ganz Rom herumposaunt, während Brutus’ abscheuliche Mutter, die sich viel darauf einbildete, Caesars Geliebte zu sein, ihren Halbbruder quälte, indem sie die Klatschmäuler der Stadt mit delikaten Informationen über Catos Verkauf seiner Gattin an den senilen Hortensius versorgte.
Auch Antonius’ Onkel Lucius Caesar — in diesem Jahr einer der Legaten Caesars in Gallien — hatte Caesar nicht bitten wollen, Antonius als Quästor anzufordern, und so hatte schließlich Antonius’ Mutter, Lucius Caesars einzige Schwester, die Initiative ergriffen und Caesar geschrieben. Caesars Anwort war kurz und bündig ausgefallen: Es könne Marcus Antonius gewiß nicht schaden, auf das Los zu vertrauen, weshalb er davon Abstand nehme, ihn anzufordern.
»Dabei habe ich doch in Syrien unter Gabinius gute Arbeit geleistet!« beschwerte sich Antonius bei Clodius. »Ich habe seine Reiter geführt wie ein Fachmann! Gabinius hat keinen Schritt ohne mich getan!«
»Ein neuer Labienus, was?« Clodius grinste.
Clodius’ Zirkel gab es immer noch, trotz des abtrünnigen Marcus Caelius Rufus und der beiden fellatrices Sempronia Tuditani und Palla. Der Prozeß gegen Caelius wegen versuchten Giftmordes an Clodius’ Lieblingsschwester Clodia und Caelius’ Freispruch hatte die beiden Damen so sprunghaft altern lassen, daß sie es vorzogen, zu Hause zu bleiben und den Blick in den Spiegel zu meiden.
Die Mitglieder des Zirkels trafen sich in Clodius’ neuem Haus auf dem Palatin, einem geräumigen, erlesen eingerichteten Gebäude, das er für vierzehneinhalb Millionen Sesterze von Scaurus gekauft hatte. Die Wände des Eßzimmers, in dem sich Clodius’ Gäste auf Liegen aus feinstem tyrotischen Purpur räkelten, waren mit verträumten arkadischen Landschaften und dazwischen Feldern mit verblüffend dreidimensional wirkenden schwarzweißen Würfeln geschmückt. Jetzt, im Frühherbst, standen die großen Türen zum säulengesäumten Garten weit offen und gaben den Blick auf ein großes, rechteckiges Marmorbecken frei, das mit Tritonen und Delphinen geschmückt war; auf dem Springbrunnen in der Mitte des Beckens thronte auf einer von Pferden mit Fischschwänzen gezogenen Kammuschel die Meeresgöttin Amphitrite; die Skulptur war so geschickt bemalt, daß sie wie lebendig wirkte.
Anwesend waren Curio Minor und Pompeius Rufus, der Bruder von Caesars grenzenlos dummer Exgattin Pompeia Sulla, ferner Decimus Brutus, der Sohn Sempronia Tuditanis, Plancus Bursa, ein neues Mitglied, und natürlich die drei Frauen aus Clodius’ Familie — seine Schwestern Clodia und Clodilla und seine Gattin Fulvia, der Clodius so ergeben war, daß er keinen Schritt ohne sie tat.
»Caesar hat angefragt, ob ich nicht zu ihm nach Gallien zurückkehren will; ich glaube, das tue ich«, sagte Decimus Brutus, ohne zu wissen, daß er Salz in Antonius’ Wunden streute.
Antonius starrte ihn böse an. Abgesehen von einer gewissen skrupellosen Tüchtigkeit schien nicht viel an Decimus Brutus zu sein — er war dünn, durchschnittlich groß und hatte so helle Haare, daß er den Beinamen Albinus bekommen hatte. Aber Caesar mochte ihn, schätzte ihn so sehr, daß er ihm sogar Aufgaben übertragen hatte, für die sonst eigentlich Legaten zuständig waren. Was hatte Caesar nur gegen seinen Vetter Antonius?
Publius Clodius war der Mittelpunkt dieser Gesellschaft. Auch er war dünn und von durchschnittlicher Größe, dabei aber so schwarz wie Decimus Brutus
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