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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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blond. Er hatte ein spitzbübisches Gesicht, das immer etwas besorgt wirkte, wenn er nicht lächelte, und sein Leben war auf eine Weise bewegt gewesen, wie es wohl nur einem Mitglied der höchst unkonventionellen Patrizierfamilie der Claudii Pulchri möglich war. So hatte er in Syrien die Araber so lange geärgert, bis sie ihn beschnitten hatten; er hatte Cicero so lange provoziert, bis dieser ihn öffentlich lächerlich gemacht hatte; er hatte Caesar die Erlaubnis abgerungen, sich von einem Plebejer adoptieren zu lassen; Pompeius hatte seinetwegen Milo dafür engagiert, auf den Straßen Roms Bandenkämpfe anzuzetteln, und schließlich hatte Clodius den gesamten römischen Adel glauben gemacht, er habe inzestuöse Beziehungen mit seinen Schwestern Clodia und Clodilla.
    Seine größte Schwäche jedoch war sein unstillbarer Rachedurst. Wenn jemand seine dignitas verletzte oder schmälerte, setzte er den Betreffenden auf seine schwarze Liste und wartete eine Gelegenheit ab, ihm die Kränkung in voller Höhe heimzuzahlen. Zu seinen Opfern gehörten Cicero, der auf Clodius’ Betreiben eine Zeitlang in die Verbannung hatte gehen müssen, Ptolemaios von Zypern, den er durch die Besetzung Zyperns in den Selbstmord getrieben hatte, Lucullus, sein verstorbener Schwager, dessen Karriere als einer der größten römischen Feldherrn Clodius durch Anzettelung einer Meuterei ruiniert hatte, und schließlich Caesars Mutter Aurelia, deren Fest der Bona Dea, der guten Göttin der Frauen, er entweiht und verdorben hatte. Diese letzte Tat verfolgte ihn gelegentlich freilich immer noch, denn er hatte damit einen schrecklichen Frevel an Bona Dea begangen. Er war deswegen vor Gericht gestellt, aber freigesprochen worden, nachdem Fulvia und andere Frauen die Geschworenen bestochen hatten. Fulvia hatte das natürlich aus Liebe getan, die anderen Frauen dagegen wollten ihn der Rache der Göttin überlassen. Sie würde eines Tages unweigerlich kommen... Diese Befürchtung ließ Clodius keine Ruhe.
    Der Anlaß seines jüngsten Racheaktes lag bereits lange zurück. Vor mehr als zwanzig Jahren — er war damals gerade achtzehn gewesen — hatte er die schöne junge Vestalin Fabia der Unkeuschheit bezichtigt, eines Vergehens, das mit dem Tod bestraft wurde. Er hatte den Prozeß allerdings verloren, und Fabias Name kam sofort auf seine schwarze Liste (daß sie die Halbschwester von Ciceros Frau Terentia war, machte sie nur noch hassenswerter). Jahre vergingen, aber Clodius wartete geduldig, während andere Beteiligte wie Catilina das Zeitliche segneten. Dann endlich schied Fabia, mit siebenunddreißig immer noch eine schöne Frau, aus dem Vestalinnenorden aus, in dem sie dreißig Jahre gedient hatte, und zog aus der Domus Publica in ein gemütliches kleines Häuschen auf dem oberen Quirinal, wo sie den Rest ihres Lebens als geachtete ehemalige Oberpriesterin verbringen wollte. Ihr Vater war der Patrizier Fabius Maximus gewesen; er hatte ihr, als sie mit sieben Jahren in den Orden eingetreten war, eine reiche Mitgift mitgegeben. Die in Gelddingen überaus geschickte Terentia hatte Fabias Mitgift genauso gewinnbringend angelegt wie ihr eigenes großes Vermögen (Cicero sah davon nie auch nur einen Sesterz), so daß Fabia bei ihrem Austritt eine wohlhabende Frau war.
    Dieser letzte Umstand ließ in Clodius’ fruchtbarem Gehirn die Saat der Vergeltung keimen. Je länger er wartete, desto süßer würde die Rache sein, und nach zwanzig Jahren wußte er endlich, wie er Fabias Leben zerstören konnte. Vestalinnen konnten nach ihrem Dienst zwar heiraten, doch taten dies nur wenige, denn es brachte Unglück, wie es hieß. Andererseits waren nur wenige ehemalige Vestalinnen so attraktiv oder wohlhabend wie Fabia. Clodius suchte also nach einem Mann, der wohlgeboren und gutaussehend war, aber arm. Endlich wurde er mit Publius Cornelius Dolabella fündig, einem gelegentlichen Mitglied seines Zirkels und einem Haudegen vom gleichen Schlag wie Marcus Antonius: groß, grob und gemein.
    Dolabella war auch gleich begeistert von Clodius’ Vorschlag, um Fabia zu werben. Obwohl er ein Patrizier mit tadellosem Stammbaum war, versteckten sämtliche römischen Väter ihre Töchter vor Dolabella und lehnten Heiratsanträge kategorisch ab. Also mußte Dolabella ähnlich dem anderen patrizischen Cornelier Sulla andere Wege gehen. Ehemalige Vestalinnen waren sui iuris , das heißt, sie unterstanden keinem Mann, sondern führten ein völlig freies Leben. Fabia war für

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