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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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hatte.
    Warum bloß hatte man ihm vorgeschlagen, Diktator zu werden? Der Gedanke ging ihm jetzt schon seit einem Jahr nicht mehr aus dem Kopf. Bevor Calvinus und Messalla Rufus im vergangenen Quinctilis zu Konsuln gewählt worden waren, hatte er entschieden abgelehnt, aber er hatte nicht vergessen können, daß man ihm das Angebot gemacht hatte. Jetzt hatte man ihm die Diktatur erneut angeboten, und inzwischen fand er das Angebot sehr viel attraktiver. Er hatte schon viele Sondergewalten ausgeübt, alle gegen den erbitterten Widerstand der ultrakonservativen Senatoren. Warum nicht noch eine, und die wichtigste dazu? Doch er war Pompeius aus Picenum und sah eher wie ein Gallier als ein Römer aus.
    Die hartnäckigen Verteidiger des mos maiorum waren unerbittliche Gegner der Diktatur — Cato, Bibulus, Ahenobarbus, Metellus Scipio, der alte Curio, Messalla Niger, die claudischen Marcelli und die Lentuli. Sie hatten viel Macht und Einfluß — aber keiner von ihnen konnte den Titel des Ersten Mannes von Rom für sich beanspruchen! Denn das war er, Pompeius aus Picenum!
    Sollte er also annehmen? Konnte er annehmen? War es ein schlimmer Fehler oder die Krönung seiner bemerkenswerten Karriere?
    Unschlüssig wanderte er in seinem riesigen Schlafgemach auf und ab. Nach Julias Tod hatte er sich einen großen, polierten Silberspiegel angeschafft in der Hoffnung, seine Frau auf dessen spiegelnder Oberfläche finden zu können, was ihm jedoch nie gelungen war. Als er jetzt auf-- und abging, sah er sich selbst. Er blieb stehen und betrachtete sich, und eine Träne rann seine Wange hinab. Er hatte immer darauf geachtet, für Julia der schlanke, wohlgestalte Pompeius ihrer Träume zu bleiben, doch seit ihrem Tod hatte er sich nicht mehr selbst im Spiegel angesehen.
    Den Pompeius aus Julias Träumen gab es nicht mehr. An seine Stelle war ein übergewichtiger Mann in den Fünfzigern getreten, mit Doppelkinn, Bauch und Ringen um die Hüften. Die berühmten blauen Augen waren in dem aufgedunsenen Gesicht fast verschwunden, die Nase, die Pompeius vor einigen Monaten bei einem Sturz vom Pferd gebrochen hatte, hatte einen Knick. Nur die Haare waren noch so üppig wie früher, allerdings glänzten sie nicht mehr golden, sondern silbern.
    Ein Diener hüstelte an der Tür.
    »Ja?« fragte Pompeius und wischte sich die Augen trocken.
    »Ein Besucher, Gnaeus Pompeius. Titus Munatius Plancus Bursa.«
    »Meine Toga, schnell!«
    Plancus Bursa wartete in Pompeius’ Arbeitszimmer.
    »Einen schönen guten Abend!« rief Pompeius und eilte geschäftig durch das Zimmer. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, faltete die Hände auf der Platte und sah Bursa mit jenem munter fragenden Blick an, der sich seit dreißig Jahren bewährt hatte. »Du kommst spät. Wie war es bei der Eröffnungssitzung des Senats?«
    Plancus Bursa räusperte sich laut, er war kein großer Redner. »Es gab danach kein Fest. Da wir keine Konsuln haben, dachte niemand ans Feiern. Ich ging deshalb zu Clodius zum Abendessen.«
    »Ja, gut, aber berichte zuerst vom Senat, Bursa!«
    »Lollius schlug vor, dich zum Diktator zu ernennen. Die Senatoren wollten schon zustimmen, als Bibulus redete — sehr gut redete — und den Vorschlag mit flammenden Worten ablehnte. Danach sprachen Lentulus Spinther und Lucius Ahenobarbus. Nur über ihre Leiche könntest du Diktator werden, du kennst solche Reden. Cicero sprach für dich, auch in einer sehr guten Rede. Doch dann verhinderte Cato durch eine endlose Rede, daß andere zu Ciceros Unterstützung sprechen konnten. Messalla Rufus, der den Vorsitz führte, beendete die Sitzung.«
    Pompeius runzelte die Stirn. »Wann ist die nächste?«
    »Morgen vormittag. Messalla Rufus hat sie einberufen, um den ersten Interrex zu wählen.«
    »Aha. Und beim Abendessen bei Clodius? Was spricht er?«
    »Wenn er Prätor wird, will er die Freigelassenen auf alle fünfunddreißig Tribus verteilen«, antwortete Bursa.
    »Er will Rom also durch die Volkstribunen regieren.«
    »Ja.«
    »Wer war sonst noch dabei? Wie haben sie reagiert?«
    »Curio war entschieden dagegen, Marcus Antonius hat nicht viel gesagt, Decimus Brutus und Pompeius Rufus auch nicht.«
    »Willst du damit sagen, daß alle außer Curio für Clodius waren?«
    »Nein, keineswegs, alle waren dagegen. Curio hat unsere Einwände aber schon zusammengefaßt, wir anderen konnten nur noch hinzufügen, daß Clodius wahnsinnig sei.«
    »Ahnt Clodius, daß du für mich arbeitest, Bursa?« »Keiner hat

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