Morag und der magische Kristall
diesmal warf sie Morag zu Boden und grapschte nach Henry. Morag wehrte sie ab. Sie trat ihr gegen die Schienbeine und stieß ihre Hände weg. Die beiden rollten schreiend, beißend und tretend über den Boden.
»MÄDCHEN!«
Vor Schreck fuhren beide auseinander und blieben, um Luft ringend, am Boden liegen. Madam Lewis, deren Gesicht eine Maske des Zorns war, stand mit einer Birkenrute in der Hand in der Tür. Mit zusammengekniffenen Augen kam sie auf die zwei Mädchen zu. Chelsea richtete sich auf und versuchte es mit flehentlichen Bitten.
»Es tut mir leid, Madam Lewis, es tut mir leid. Sie hat angefangen, ehrlich!«, rief sie, aber ihr Flehen stieß auf taube Ohren.
Madam Lewis holte mit der Birkenrute aus und ließ sie auf Chelseas Rücken niedersausen. Das Mädchen heulte vor Schmerz auf. Morag sah entsetzt zu. Dann drehte die Frau sich zu Morag um, die sich zusammengerollt hatte, so klein sie konnte. Morag hielt den Atem an und wartete auf den Schmerz des Schlages, aber er kam nicht. Nachdem sie eine Weile so verharrt hatte, spähte sie zu Madam Lewis hinauf. Die Frau stand reglos da, den Stock erhoben, einen Ausdruck heißer Wut auf dem erstarrten Gesicht. Zu ihren Füßen duckte Chelsea sich noch immer, aber auch sie bewegte sich nicht. Morag streckte die Glieder, setzte sich hin und betrachtete die beiden voller Staunen.
»Was ist passiert?«, fragte sie laut.
»Ich wollte nicht, dass sie dir wehtut«, erklang eine Stimme unter ihren Kleidern. »Also habe ich sie erstarren lassen.«
»Du hast sie erstarren lassen, Henry?«, wiederholte Morag. Sie rappelte sich hoch und trat einen Schritt auf Madam Lewis zu, um sie genauer zu betrachten. Dann wedelte sie mit der Hand vor dem Gesicht der Frau, konnte sie aber weder blinzeln noch zusammenzucken sehen. »Sie ist doch nicht tot, oder?«, fragte sie.
»Bedauerlicherweise nicht«, antwortete Henry. »Aber sie wird nicht wissen, was geschehen ist. Oh-oh. Pass auf, sie kommt zu sich.«
Morag trat zurück und beobachtete, wie Madam Lewis und Chelsea langsam aus ihrer Reglosigkeit erwachten. Madam Lewis wirkte zutiefst erstaunt, während sie die Rute sinken ließ, und Chelsea schien ebenfalls verwirrt. Morag schaute stumm zu. Madam Lewis seufzte und schaute sich im Raum um, als habe sie ihn noch nie zuvor gesehen.
»Was habe ich gerade gesagt?«, fragte sie und blickte Morag direkt an.
»Dass wir zum Frühstück hinuntergehen müssen und Sie uns dann unsere Anweisungen für den Tag geben würden«, antwortete sie hastig.
»Sehr gut«, sagte Madam Lewis. Dann sah sie das Mädchen zu ihren Füßen. »Chelsea!«, rief sie scharf. »Steh auf, Mädchen. Was um alles in der Welt hast du dort unten zu suchen?«
»Ich weiß es nicht, Madam Lewis«, antwortete Chelsea und stand auf.
»Und richte deine Kleider«, befahl Madam Lewis unfreundlich. »Du siehst furchtbar aus.«
Chelsea kümmerte sich hastig um ihre zerknitterten Kleider und band ihr Haar wieder zu einem Pferdeschwanz zusammen. Auch Morag strich die Schürze ihrer Uniform glatt. Madam Lewis unterzog beide Mädchen einer eingehenden Musterung. Dann nickte sie zufrieden und ging zur Tür.
»Schön«, sagte sie. »Folgt mir.«
Chelsea lief schnell hinter ihr her und Morag folgte ebenfalls. Als sie in das Treppenhaus kamen, flüsterte sie Henry eine Frage zu.
»Wie hast du das gemacht?«
»Ich bin nicht vollkommen nutzlos«, flüsterte er zurück. »Das habe ich dir bereits erklärt, du dummes Mädchen.«
»Danke«, flüsterte sie wieder.
»Mädchen! Ja, du!« Madam Lewis drehte sich um und zeigte auf Morag. »Was hast du gesagt? Mit wem hast du geredet?«
»Mit niemandem, Madam Lewis«, antwortete Morag.
»Schön. Wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind es schwatzhafte Mädchen. Und nun folgt mir. Nach einem kleinen Frühstück könnt ihr euch gleich an die Arbeit machen.«
Kapitel 15
Lady Mephista saß in ihrem wunderschön möblierten Schlafzimmer an ihrem Ankleidetisch und betrachtete sich in dem riesigen Spiegel, als Madam Lewis Morag und Chelsea hereinbrachte. Morag schaute sich um und sog scharf die Luft ein. Sie hatte noch nie im Leben einen so luxuriösen Raum gesehen.
Mephistas Ankleidetisch war vergoldet und kunstvoll geschnitzt und er sah extrem alt aus – Morag vermutete, dass es eine Antiquität war. Zu ihrer Rechten stand das größte Himmelbett, das sie sich vorstellen konnte. Es war aus dunklem Holz – Eiche, vermutete Morag – und ausgestattet mit hauchzarten
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