Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
Dorf.
„Was war denn das, vorhin in der Kuchl?“, fragte Albin Johann nach einer Weile.
„Hab ihr nur was geschrieben“, antwortete dieser kurz angebunden.
Albin lachte und schüttelte den Kopf. „Die Elisabeth kann doch nicht lesen. Die wenigsten können das, bei uns nur der Pfarrer und ich glaub auch der Riegler.“
Johann überlegte kurz. „Wollte sie’s nie lernen?“
Albin winkte ab. „Der Karrer hält das nicht für wichtig.“ Er machte eine kurze Pause, dann fügte er gleichmütig hinzu: „Und ich auch nicht so.“
Er klopfte seine Pfeife an der Holzwand aus und ging in den Stall zurück.
XVI
Elisabeth räumte wie jeden Tag die Kammer ihres Vaters auf. Sie machte das Bett, dann schüttete sie die Waschschüssel und den Nachttopf aus und stellte sie an ihren Platz zurück. Sie wollte gerade den Kasten öffnen, als sie jemanden eintreten hörte. Elisabeth fuhr herum – Johann stand vor ihr.
„Bist verrückt? Wenn uns der Vater hier sieht …“, sagte Elisabeth aufgeregt.
Johann winkte ab. „Der ist irgendwo im Dorf unterwegs.“ Er zögerte kurz. „Tut mir leid.“
Elisabeth sah ihn fragend an.
„Ich hab nicht gewusst, dass du nicht lesen kannst.“
Beide schwiegen. Dann blickte Elisabeth Johann an.
„Und warum kann ein Schmiedgeselle lesen und schreiben?“
„Dort wo ich aufgewachsen bin, war mir ein Abt wohl gesonnen, und so musste ich’s lernen. Das und noch eine ganze Menge mehr.“
„Wo bist du denn aufgewachsen?“
„In einem Kloster.“
„Du bist aber kein – “ Sie zögerte kurz. „Protestant?“
Johann grinste, er hätte jetzt weiß Gott was erwartet, nur nicht das. „Brauchst keine Angst haben. Ich bin römisch-katholisch, so wie ihr alle.“
Elisabeth fiel ein Stein vom Herzen, auch wenn sie sich nichts anmerken ließ.
„Und du bist kein Priester geworden?“
Johann lächelte. „Ich wollt in meinem Leben halt mehr sehen als nur eine steinerne Abtei.“
„Und deshalb hast dann Schmied gelernt?“
„Ja, war ich mal.“ Johann lachte kurz bei dem Gedanken. „Und jetzt wieder.“ Er machte eine Pause. „Wenn du willst, kann ich’s dir beibringen.“
„Das Schmieden?“ fragte Elisabeth keck.
Beide lachten.
„Lesen und schreiben.“ sagte Johann.
Plötzlich hören sie, wie unten die Eingangstür zufiel. Elisabeth erschrak. „Der Vater! Geh jetzt!“
Johann drückte ihr die Hand, dann eilte er aus der Kammer.
Elisabeth öffnete den Kasten, nahm eine dicke Wolldecke heraus und breitete sie über das Bett aus. Dann verließ auch sie das Zimmer.
Draußen horchte sie kurz, aber es war still im Haus. Vielleicht war ihr Vater wieder gegangen. Gebe Gott, dass er und Johann sich nicht begegnet waren. Sie ging den düsteren Söller hinab zur Kuchl, öffnete die Tür und trat ein.
Jakob Karrer saß am offenen Herd und stochert mit einem Schürhaken in der Glut.
Elisabeth zuckte zusammen. „Ich mach gleich die Mahlzeit, Vater“, sagte sie und ging zum Herd.
„Bist ja heut einmal fleißig …“, meinte Karrer spöttisch. „Und wo warst grad?“
Das war keine Frage. Das war eine Drohung.
„Hab oben bei dir aufgebettet, und –“
„Und der Johann?“
„Was weiß ich, wo der Knecht steckt, ist mir doch egal.“ Elisabeth biss sich auf die Lippe. Die Antwort war zu schnell gekommen.
Karrer beobachtete Elisabeth eine Weile, dann ging er auf sie zu, packte sie bei den Haaren und zog sie zu sich. „Und so soll’s auch bleiben“, sagte er leise und drohend. Er ließ sie los und verließ die Küche.
Elisabeth rieb sich den Kopf, dann steckte sie ihrem Vater trotzig die Zunge hinterher. „Geh doch zum Teufel“, flüsterte sie und bekreuzigte sich sofort.
„Heilige Mutter Gottes, behüte uns vor der Bedrängnis und beschütze uns vor
ihnen
. Amen.“ Elisabeth küsste wie immer nach dem Gebet den Rosenkranz in ihren Händen, bekreuzigte sich und stand auf.
Kajetan Bichter, der neben ihr gekniet hatte, erhob sich ebenfalls. „Dann bis morgen, Elisabeth“, sagte er. „Danke dir, dass du heute den Rosenkranz mit mir gebetet hast, allen anderen war die Stund wohl zu spät.“
„Ach, das ist sicher nur wegen der Kälte. Da traut sich nicht mal die alte Salzmüllerin aus dem Haus.“
„Da hast wohl Recht.“ Der Pfarrer lachte leise.
Sie standen sich gegenüber.
„Ist noch etwas, mein Kind?“, fragte Bichter zögerlich.
„Herr Pfarrer –“
„Ja, Elisabeth?“
„Könnt Ihr Euch noch erinnern, wie ich Euch gefragt hab, wie das
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