Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
Finsternis blieb.
Ein gefühltes Menschenleben später kam die Lücke zwischen Grabenbeginn und abgerutschter Erde, die sie überspringen mussten, immer näher.
Aus der Entfernung hatte die Lücke unbedeutend ausgesehen, aber jetzt kam sie Johann wie ein unüberwindbarer Schlund vor.
Manchmal ist ein Schritt zurück besser als zwei Schritte nach vorn.
Unwillkürlich schüttelte Johann den Kopf.
Diesmal nicht.
Am Rand des Grabens stieß er sich ab, sprang mit aller Kraft und landete sicher auf der anderen Seite.
Geschafft.
Einen Augenblick später setzte Wolff hinter ihm auf – und rutschte ab.
Blitzschnell drehte Johann sich um, griff aufs Geratewohl nach Wolff und packte ihn am Kragen. Dieser fasste Johanns Arm mit beiden Händen und zog sich mit einem kraftvollen Ruck zu ihm.
Die beiden Männer krochen nach vorn und drückten sich mit dem Rücken an den Erdwall, der von angespitzten Pfählen gesäumt war. Beide bemühten sich, das schwere Atmen so gut es ging zu unterdrücken, denn nun waren sie in Hörweite möglicher patrouillierender Posten.
Erschöpft blickte Johann zu Wolff, in dessen Gesicht sich Schweißtropfen einen Weg durch den Schmutz bahnten. Plötzlich glitzerten die Tropfen – es wurde heller!
Panisch blickte Johann in den Himmel: Die Wolkendecke riss auf und gab den Mond frei.
Auch Wolff merkte, wie ihr Tarnmantel sich auflöste. Instinktiv drückte er sich fester gegen den Erdwall, als wolle er mit ihm verschmelzen.
Rasch blickte Johann sich um: Über ihnen wuchs der Erdwall steil nach oben, neben ihnen fiel der Graben ab, der voll spitzer Stöcke war. Ein Zurück war ausgeschlossen, die Grabenwand an der anderen Seite würden sie nicht erklimmen können.
Johann schloss die Augen und betete zum Schöpfer, bat ihn, sie nicht im Stich zu lassen. Zumindest noch nicht. Wenn sie ihren Gegnern erst Aug in Aug gegenüberstanden, dann konnten sie um ihr eigenes Schicksal kämpfen. Aber hier wie wehrlose Tiere in einer Falle abgeknallt zu werden – so hatte Johann sich sein Ende nicht ausgemalt.
Er versuchte, sich zu beruhigen und seine Gedanken zu ordnen. Während er dies tat, veränderte sich etwas. Kam es ihm nur so vor, oder –?
Johann riss die Augen auf. Eine weitere Wolkenfront schob sich vor den Mond und tauchte die Landschaft um sie wieder in Finsternis.
Wolff grinste ihn an, seine Zähne waren das Einzige, was Johann erkennen konnte.
Noch einmal davongekommen.
Johann konzentrierte sich auf Geräusche jenseits des Walls, aber außer dem spärlichen Donner der Kanonen in der Ferne, einem Trommeln von irgendwo tief im Lager und seinem eigenen Herzschlag konnte er nichts Beunruhigendes hören.
Er wälzte sich auf die Brust und begann, den Erdwall hinaufzurobben. Immer wieder hielt er kurz inne und prüfte, ob nicht irgendjemand auf der anderen Seite aufmerksam geworden war.
Wolff hielt sich dicht hinter ihm.
Johann ergriff einen angespitzten Pfahl, der waagrecht aus dem Wall herausragte und das Todesurteil für jeden Kavalleristen bedeutete, der einfältig genug war, ihn mit seinem Gaul zu überspringen. Für Johann aber diente er als sicherer Halt, kaum zwei Fuß vor der Kuppe.
Er zog sich gerade hoch genug, um einen Blick auf die andere Seite des Walls zu erhaschen. Vereinzelte Feuer drüben halfen ihm, sich zu orientieren.
Links reihten sich weiße, dreieckige Mehrmann-Zelte einem dichten Raster gleich aneinander, die Behausung der einfachen Soldaten. Rechts standen große, offene Zelte mit verschiedenem Werkzeug darin.
Ein breiter Weg führte geradlinig in die Mitte des Lagers, wo hinter einem niedrigeren zweiten Schutzwall große Zelte standen – vermutlich die Unterkünfte der Generalität. Außerdem befand sich ein schwer bewachter Bereich für Artillerie und Pulverwagen in der Mitte des Lagers.
Patrouillierende Wachen konnte Johann keine sehen.
Nutze die Gelegenheit.
Er drehte sich zu Wolff und deutete zu den Zelten mit dem Werkzeug. Der nickte.
Johann holte tief Luft, dann wälzte er sich über die Kuppe, rutschte auf der anderen Seite den Wall hinunter und rollte sich in Richtung der Werkzeugzelte. Er schnappte sich den nächstbesten gefüllten Sack, sprang auf und schulterte ihn. Dann machte er einige Schritte Richtung Lagermitte und sah sich unauffällig um, ob ihn jemand beobachtet hatte.
Erst jetzt wurde Johann bewusst, wie schnell sein Herz raste – es drohte ihm aus der Brust zu springen. Schweiß rann ihm über das Gesicht, seine Hände
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