Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
auf die Seite und schloss die Augen.
„Elisabeth!“
Sie schreckte aus dem Tiefschlaf. Wie lange hatte sie geschlafen?
Sie blickte zum Tor: Draußen war es stockfinster, eine mondlose Nacht war angebrochen.
„Elisabeth“, zischte Alain erneut. „Du schuldest mir eine Erklärung.“
Sie überlegte kurz und zupfte sich dabei Strohhalme aus den Haaren. War es die richtige Entscheidung, Alain in ihren Plan einzuweihen?
Ja. Und es ist zu spät, um anders zu handeln.
„Ich habe einen Plan, wie wir fliehen können“, flüsterte sie.
Alain verzog das Gesicht, als hätte er einen schlechten Witz gehört.
„Wir müssen abwarten, bis wir auf einer Lichtung Halt machen“, fuhr Elisabeth unbeirrt fort. „Ich werde vorgeben, dass ich Schmerzen im Unterleib habe, und du wirst mich stützen. Wir werden so dicht wie möglich an den Wägen entlang zum hintersten Wagen gehen, dorthin, wo der Proviant lagert.“
„Und wenn sie uns nicht lassen?“
„Dann sag, dass sie das Generalleutnant Gamelin gegenüber zu verantworten haben. Jeder hat gesehen, dass ich aus seiner Kutsche gestiegen bin, wenngleich niemand weiß, was ich dort gemacht habe.“
„Ja, das hab ich mich auch schon –“
„Das spielt jetzt keine Rolle“, unterbrach ihn Elisabeth bestimmt. „Wenn wir am Ende des Proviantwagens angekommen sind, schnappe ich mir eine Öllampe, du entzündest sie mit deinem Zunderschwamm, den du vorher zum Glosen gebracht hast, und wir werfen die Lampe auf die Pulverfässer.“ Triumphierend blickte Elisabeth in Alains fassungsloses Gesicht.
„Und dann marschieren wir einfach auf und davon?“
„Natürlich nicht, aber es wird ein heilloses Durcheinander geben. Die Söldner müssen den Brand löschen, sonst fliegt ihnen die gesamte Ausrüstung um die Ohren. Und in diesem Chaos werden wir in den Wald eilen und –“
„Das wird nicht funktionieren“, entgegnete Alain. „Nie und nimmer.“
„Du willst mir doch nicht weißmachen wollen, dass ein französischer Soldat nicht weiß, wie man die Flucht ergreift?“, stichelte Elisabeth. Oft genug hatte sie Johanns Witze über den Kampfgeist der Franzosen gehört, meistens garniert mit einem weiteren bissigen Kommentar des Preußen.
„Es gibt einfach zu viele Dinge, die schiefgehen können“, beharrte Alain.
„Ja, zuallererst dass wir tatenlos unseren Bestimmungsort erreichen und dann alle sterben.“
Alain schwieg einen Augenblick. Auch er hatte, seitdem er von seinen Kameraden zu den Gefangenen gesperrt worden war, im Geiste unzählige Szenarien durchgespielt, war aber zu keinem Schluss gekommen. Zumindest zu keinem, der ihm sein altes Leben zurückbringen würde.
„Gut, angenommen wir können ein solches Chaos inszenieren“, sagte er, „was dann?“
„Dann werden wir uns Hilfe suchen. Zuerst für uns selbst und dann für die anderen, die noch gefangen sind. Die Leute hier haben niemandem etwas getan, wir werden sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.“
„Du bist verrückt“, sagte Alain und meinte es so.
„Besser verrückt als tot“, gab sie keck zurück, und wenn Alain Elisabeth schon länger gekannt hätte, hätte er erkannt, dass sie einen Augenblick lang die fröhliche, leutselige Frau von früher gewesen war.
„Ich weiß nicht. Darüber muss ich erst schlafen.“
„Ruhe da drinnen!“, donnerte eine Stimme vom Tor in den Stadel. „Sonst könnt ihr alle im Käfig weiterschnarchen!“
Elisabeth blickte Alain ernst an. „Dann überschlaf gut.“
Sie schloss die Augen.
Ich liebe dich, Johann.
XVIII
„Morgen werden wir den Treck wohl eingeholt haben“, sagte der Preuße im Brustton der Überzeugung.
„Das hoffe ich“, entgegnete Johann.
Seit Stunden waren die beiden wortlos nebeneinanderher geritten, jeder in eigene Gedanken versunken. Das Land wurde hügeliger, die Gebirge im Süden und im Osten wuchsen höher, gleich einer Festungsmauer, die zu überwinden unmöglich schien. Fuhrwerke, Kutschen, berittene Boten und Bauern, die Handkarren hinter sich herzogen, ließen sie hinter sich, wobei sie ihren Pferden alles abverlangten.
Nur zum Tränken der Tiere machten sie Rast.
Aber je näher sie Elisabeth und dem Treck zu kommen glaubten, umso mehr Bedenken wuchsen in Johann, umso realer wurden die Schwierigkeiten, die sie erwarteten. Die Jagd war eine Sache, aber eine andere war es, die aufgespürte Beute zu erlegen. Sie waren zu fünft. Ihre Gegner vermutlich ein Dutzend.
Oder mehr.
Und das Schlimmste war, dass er
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