Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
keine Gedenksäule geben wie für die der letzten Pest, war ihm dabei durch den Kopf geschossen.
Wenn er von dieser Mission erfolgreich zurückkehrte und Tepser dann noch im Amt war, konnte er sich eines anständigen Zusatzsalärs gewiss sein. Sollte Tepser aber in der Zwischenzeit abgelöst worden sein, würde er sich vermutlich um eine neue Anstellung bemühen müssen, da er seine Abwesenheit nicht würde rechtfertigen können. Vielleicht musste er sich sogar nach einer neuen Heimatstadt umsehen. Dasselbe galt auch für seine Männer – und das wussten sie.
Nachdem sie die Tore Wiens hinter sich gelassen hatten und durch Dörfer ritten, passierte oftmals dasselbe: Türen wurden verschlossen, Fenster verriegelt und Mütter zerrten ihre Kinder in die Häuser. Und überall hörte man leise Stimmen warnen: „Hütet euch, die Schwefelquart kommt!“
Diesen Spitznamen hatten die Männer der Rumorwache im Volksmund wegen ihrer gelben Rockaufschläge. Woher allerdings die Furcht der Menschen vor ihnen kam, war ihm immer schon ein Rätsel gewesen. Wolff und seine Männer führten ihre Aufträge aus, nicht mehr und nicht weniger. Kein Unschuldiger hatte unter ihnen zu leiden gehabt und er selbst behielt sich immer noch eine gewisse Entscheidungsfreiheit in der Umsetzung seiner Befehle vor. Hatte er das Gefühl, dass etwas zu weit ging – nun, es gab Möglichkeiten.
Aber lieber grundlos gefürchtet als berechtigt belächelt, dachte er. Der Trupp ritt über eine Hügelkuppe und erspähte einige verstreut liegende Bauernhöfe in der Senke vor ihnen.
Wolff gab seinem Pferd die Sporen.
„Also ein Wagentreck ist hier nicht durchgezogen, Herr“, sagte der alte Bauer und streckte Wolff seine ledrige Hand entgegen.
Dieser sah den Bauern prüfend an, dann seufzte er tief. Es war mühsam, dass man ihm das Leben durch Lügen immer wieder unnötig erschwerte.
Blitzschnell zückte Wolff seinen Säbel und hielt ihn dem Bauer an die Kehle. Dieser begann zu zittern und stammelte: „Drei Tage ist es her, höchstens vier … Haben in dem Pesthof dort Quartier bezogen … Sie sind bei Tagesanbruch weitergezogen … In diese Richtung.“ Der Bauer deutete zitternd nach Süden.
Leutnant Wolff setzte ein mildes Lächeln auf, tätschelte dem Bauer mit der Klinge sanft die faltige Wange und ließ den Säbel wieder in den Schaft zurückgleiten.
Der Bauer trat zurück, senkte den Kopf und bekreuzigte sich dreimal.
Wolff riss sein Pferd herum und trieb es Richtung Süden. Seine Männer folgten ihm.
XVII
Nach dem Abendessen, das aus Ziegenmilch und Brot bestanden hatte, wurden sie in einem Heustadel einquartiert. Er gehörte denselben Bauersleuten, die auch das Essen gestellt hatten. Oder besser gesagt: stellen hatten müssen.
„Aus dem Land ernähren“ hatte es einer der Söldner zynisch genannt, ohne den Blick von der Tochter des Bauern abzuwenden, die noch keine vierzehn Lenze zählen konnte.
Elisabeth war dabei ein Schauer über den Rücken gelaufen, aber was hätte sie machen können? Was hätten sie alle machen können? Und es gab nicht einmal ein „sie alle“, die Gefangenen grenzten sich voneinander ab, entweder aus Apathie oder aus dem unbewussten Wissen heraus, dass es nicht lohnte, Freundschaften zu schließen.
Eine unaussprechliche Wahrheit schwebte wie eine giftige Wolke über ihnen allen: Sie fuhren ihrem Untergang entgegen.
Elisabeth nicht. Elisabeth hatte einen Plan, und Alain musste ihr dabei helfen, auch wenn dies den Tod anderer bedeutete. Beim Gedanken daran schreckte sie vor sich selbst zurück. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihr eigenes Spiegelbild erkennen würde, sollte sie sich jemals wieder in einen Spiegel sehen. Was war aus ihr geworden? Wie konnte es dazu kommen?
„Nachtruhe!“, rief der Söldner mit der rauen Stimme, hängte zwei Öllampen an den Deckenbalken auf und erfreute sich wie immer sichtlich daran, dass sein Befehl von den Kranken widerstandslos ausgeführt wurde.
Dieser Stadel bot das erste Mal, seit Elisabeth in Gefangenschaft war, einen weichen Untergrund zum Liegen. Das Heu des letzten Herbsts, auf dem sie lagen, duftete herrlich und war warm. Elisabeth fühlte sich, als läge sie auf Wolken gebettet.
Den anderen schien es ebenso zu ergehen, denn niemand erhob Einspruch, als der Söldner die Lampen befestigte und entzündete. Wenn die Lampen in das Heu herunterfielen, war dies die letzte Nacht für sie alle.
Elisabeth streckte sich, so fest sie konnte, dann rollte sie sich
Weitere Kostenlose Bücher