Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
noch keinen Plan hatte, weil er die Gegebenheiten nicht kannte. Waren es wirklich zwei Wägen und eine Kutsche? In welchem von ihnen war Elisabeth? Und wo war dieser Gamelin?
Gamelin.
Er wusste, dass er das eine Übel nur gegen ein anderes getauscht hatte. Mit dem Tod von Pranckhs war Johanns Erzfeind gestorben und hatte mit seinen letzten Atemzügen einen neuen geschaffen. Damit hatte von Pranckh über Johann, ja selbst über den Tod triumphiert. Damit hatte er Johann das entrissen, dessen er sich so sicher gewesen war: eine gemeinsame Zukunft mit Elisabeth.
Johann schüttelte die düsteren Gedanken ab. Erst mussten sie den Wagenzug finden, dann mussten sie –
Sei dir der Dinge nie zu gewiss. Bleib spontan.
– eben improvisieren, dachte Johann und lächelte. Wie in allem hatte Abt Bernardin auch hier recht gehabt.
Zu ihrer Rechten näherte sich die Sonne dem Horizont. Die blühende Landschaft erstrahlte noch einmal in ihrer ganzen Farbenpracht. Über dem Gebirge thronte jedoch eine finstere Wolkenburg, die nicht Gutes für die nächsten Tage verhieß.
„Mein Arsch gewöhnt sich zwar an das stundenlange Reiten, aber mein Gaul nicht“, sagte Karl, der neben Johann und dem Preußen ritt. Er tätschelte sein Pferd, das schwer schnaufte. „Und wie Markus’ Pferd das durchsteht, ist mir sowieso ein Rätsel.“
Alle blickten zurück und ernteten ein verschmitztes Lächeln des Riesen, dessen Pferd scheinbar völlig unangestrengt dahintrabte.
„Hast recht“, antwortete Johann und suchte die Straße vor ihnen nach einem Quartier ab. „Ich könnte jetzt auch einen Schluck Wein und ein Butterbrot vertragen.“
Hans schloss zu ihnen auf. „Und nicht zu vergessen: Noch zwei Bummerl beim Schnapsen und die nächste Runde ist fällig. Nicht wahr, Herr Leutnant?“ Er sah den Preußen herausfordernd an.
„Ich werd dir heut so viele Bummerl raufdippeln, dass du meinst, du hättest die Beulenpest, Söhnchen“, knurrte der Preuße.
„Schluss mit dem Pestgerede, da fängts mich gleich zu jucken an“, sagte Karl und kratzte sich am Arm.
„Ich würds mal mit Waschen probieren“, riet Hans seinem Freund todernst. „Das ist der Dreck, mein Freund, nicht die Pest.“
Die Männer brachen in herzhaftes Lachen aus und vergaßen für einen Augenblick den ernsten Grund ihrer Reise.
Schon bald erspähten sie ein niedriges Haus mit Schilfdach, dessen verwittertes Schild ein aufgemalter Weinkrug zierte.
„Na dann, Mahlzeit!“, rief Karl erfreut und gab seinem Pferd die Sporen.
Wenig später ritt ein Trupp von gut einem Dutzend Soldaten mit gelben Rockaufschlägen an der Schenke vorbei.
XIX
Chronik des Marktes Melk
Anno Domini 1704
In Nomine SS. Trinitatis
Seit der Winter vorbei ist, gehen die Bauarbeiten durch Jakob Prandtauer am Kloster zügig voran, wie unser hochwürdiger Abt Berthold Dietmayr zu berichten weiß. Man kann nur erträumen, wie das fertiggestellte Stift in einigen Jahren von weither sichtbar sein und Pilger, Bürger und Wanderer grüßen und beeindrucken wird.
Hohe Visitation wurde uns dieser Tage zuteil, als wir dem Gesandten unseres Heiligen Vaters in Rom, Antonio Maria Sovino, und seiner Schwarzen Garde in unseren bescheidenen Behausungen mit Unterkunft und Speis aufwarten durften.
Während ihres mehrtägigen Aufenthaltes kamen auch die Nöte unserer Bürger nicht zu kurz, da ein jeder sein Anliegen vortragen konnte. Dank der Aufgeschlossenheit unserer Zeit fanden Neid und Missgunst bei den Vertretern Roms kein Gehör. So wurde jeder gewahr, dass heute andere Methoden praktiziert werden als während der Inquisition.
Leider musste Pater Sovino Zeuge einer furchtbaren Tragödie werden, als das Gehöft und die gesamte Familie des Protestanten Werner Schramb mitsamt Gesindehaus und allen seinen Bewohnern sowie den Stallungen ein Raub der Flammen wurden, die vorgestern just nach Mitternacht aufloderten und den Himmel weithin erhellten.
Ein gemeinsamer Gottesdienst mit dem Visitator Sovino konnte zumindest ihren Seelen Frieden spenden.
XX
Seit der Wagentreck am frühen Morgen aufgebrochen war, zerrte heftiger Wind an den Planen und ließ sie knallend an die Eisengitter des Menschenkäfigs schlagen. Die Temperatur sank, Gewitterwolken verdeckten die Sonne. Elisabeth hielt die Hände instinktiv schützend über ihren Bauch und beobachtete durch den Riss in der Plane, wie die Zweige der vorbeiziehenden Nadelbäume hin und her gepeitscht wurden.
Die Schönheit der Landschaft, die Elisabeth in
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