Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
Schulter.
Nachdem sie das Tor passiert hatten, fanden sie sich direkt vor dem Hauptplatz des Marktes wieder, der sich mit aller Gewalt zwischen die Felsklüfte zu zwängen schien.
Die Straßen der Gemeinde waren beinahe menschenleer, nur wer Unaufschiebbares zu erledigen hatte, eilte durch den Wolkenbruch. Alle anderen hatten sich in ihre Betriebe oder Häuser zurückgezogen oder ließen in den unzähligen Tavernen den Herrgott einen guten Mann sein.
Das zweistöckige Fachwerkhaus der Vorspannstation markierte das Ende des Platzes, davor standen vielerlei Fuhrwerke, Kutschen und Gespanne, die die Pferde abgespannt hatten und ihrer Weiterfahrt harrten.
Mit sorgenvoller Miene blickte Johann in den stürmischen Himmel. Auch beim besten Willen war keine Besserung erkennbar – im Gegenteil: Am Horizont schien sich die Finsternis der Wolkendecke noch einmal selbst übertreffen zu wollen.
„Also hier sind sie nicht, so ein Wagentreck würde uns auffallen“, bemerkte der Preuße.
Hans kam aus der Station gelaufen und blieb zwischen Johann und dem Preußen stehen. „Die Mautwächter geben keine Auskunft über Reisende, nicht mal, wenn man ihnen ein kleines Vermögen anbietet.“ Hans machte eine theatralische Pause. „So ein alter Lump war da schon redseliger. Gestern soll ein Wagentreck mit einer schwarzen Kutsche durchgekommen sein, von gut einem Dutzend Männern eskortiert.“
Schlagartig stieg Johanns Anspannung. „Gestern? Und wann genau?“
„Konnte er nicht sicher sagen“, antwortete Hans und machte eine Trinkbewegung mit der Hand.
„Sieht so aus, als müsste die zukünftige Mutter deiner Kinder noch etwas auf dich warten“, sagte der Preuße zu Karl und spielte auf die Dirne an.
„Sie wird untröstlich sein“, antwortete Karl salopp. „Also weiter?“
Markus zuckte mit den Schultern und blickte zu Johann. Dieser gab seinem Pferd die Sporen.
Der Regen peitschte ihnen nun beinahe waagrecht entgegen, aber Johann und die anderen dachten gar nicht daran, ihre Pferde zu zügeln.
Zu nah schien das Ziel.
Zu verlockend war die Vorstellung, noch heute dem Ganzen ein Ende zu setzen.
Zu groß war aber auch die Unaufmerksamkeit Johanns und seiner Kameraden. Denn als die Hufspuren vor ihnen in das Unterholz abzweigten, preschten sie geradeaus weiter …
XXIII
„Anfang Halt“, ertönte eine Stimme und der Wagen kam mit einem sanften Ruck zum Stehen.
Elisabeth blickte durch den Riss nach draußen, sie hatten auf einer kleinen Lichtung angehalten. Die Söldner saßen von ihren Pferden ab, mit lautem Klatschen landeten ihre schweren Stiefel auf der schlammigen Erde. Stimmengewirr wurde laut. Elisabeth war bemüht, aus den Wortfetzen ein Gesamtbild zu fertigen.
„Der erste Wagen steckt fest … Grat des Semmerings fast erreicht … hätten den Weg nie verlassen dürfen …“
Einige Söldner fluchten auf Französisch und staksten durch den Schlamm zum Wagen vor ihr. Elisabeth blickte in den rauchgrauen Himmel, es hatte aufgehört zu regnen. Ihr Herz schlug schneller, ihre Handflächen wurden feucht – jetzt oder nie!
„Glost dein Zunderschwamm?“, zischte sie Alain zu.
Diesem war, als hätte Elisabeth ihn ins Gesicht geschlagen. „Ja. Du willst hier –“ Auf einmal war er sprachlos, Gedanken schossen ihm durch den Kopf, dann Worte, immer und immer wieder.
Standrechtliche Erschießung wegen Flucht .
„Die Soldaten sind damit beschäftigt, den Wagen vor uns aus dem Dreck zu ziehen.“ Elisabeths Augen funkelten.
Vergebens suchte Alain nach einem Gegenargument. Er versuchte, sich zu beruhigen, atmete tief ein. Das verdammte Weib hat recht, dachte er dann, wir haben keine andere Wahl. Mit geübtem Blick kontrollierte er, ob der Zunderschwamm tatsächlich noch gloste – er tat es. Alain nickte Elisabeth zu. Diese begann, sich wie im Schmerz zu winden und zu wimmern.
„He, Hilfe!“, rief Alain. „Wache!“ Schnell blickte er sich im Wagen um, aber niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen.
„Was ist?“ Ein Söldner mit norddeutschem Akzent hob die Plane an.
„Die hier hat Krämpfe“, sagte Alain, der den Söldner kannte.
„Ist mir doch scheißegal. Und was kümmerts dich, du bist nicht länger einer von uns.“ Der Söldner ließ die Plane wieder fallen, aber Alain blockierte sie mit der Hand. Elisabeth wimmerte lauter.
„Mir ists auch scheißegal, Friedrich, deshalb werde ich auch keine Skrupel haben, deinen Namen zu nennen, sollte das Weibsstück hier verrecken. Und du weißt,
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