Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
übertrieben finde. Eine solche Vorgehensweise ist den Feinden des Landes und den Protestanten gegenüber angemessen, aber nicht den Leibeigenen. Jedoch hat der Erzbischof versichert, dass Sovinos Ruf untadelig und er für seine Erfolge hoch angesehen ist.
Der Visitator wird daher jede Unterstützung erhalten, die er für seinen weiteren Weg braucht.
XLIII
Es herrschte Stille im Dormitorium. In der Zelle, die sich Elisabeth mit Johanna teilte, waren nur die ruhigen Atemzüge der jungen Laienschwester zu hören.
Elisabeth hingegen konnte nicht schlafen, obwohl sie erleichtert darüber war, dass die Äbtissin ihnen half. Diese hatte unverzüglich Boten ausgeschickt, die mit einer Nachricht zu all jenen unterwegs waren, denen die Äbtissin bedingungslos vertraute. Man würde in Klöstern und Hospizen Ausschau nach Johann halten. Des Weiteren hatte die Äbtissin ihr und Alain angeboten, im Stift zu bleiben, bis Nachricht eintraf.
Elisabeth wälzte sich unruhig auf ihrem Lager. Göss war ihr Ziel gewesen, die ganzen letzten Tage während ihrer Flucht. Jetzt, wo sie dieses Ziel erreicht hatte, würde eine Zeit der Untätigkeit hereinbrechen – und damit eine Zeit des Nachdenkens. Über Johann, über das Kind, das sie zur Welt bringen würde, über ihre Zukunft …
Sie legte die Hände auf ihren Bauch. Sie würde für dieses Kind kämpfen, wie sie seit ihrer Flucht aus Tyrol für Johann gekämpft hatte. Sie würde mit dem Mann, den sie liebte, ein Kind haben, sie würden zusammenleben bis ans Ende ihrer Tage. Und keine Krankheit und kein französischer General würde sie daran hindern.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.
Eine weiße Ebene aus den Knochen derer, die gerichtet worden waren, tat sich vor ihr auf. Darüber der schwarze Himmel, und er , die Dornenkrone über dem blutigen Gesicht mit den schwarzen, pulsierenden Adern. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf sie.
Plötzlich tat sich der Boden unter ihr auf, Arme griffen nach ihr und zogen sie hinab, sie wollte schreien, aber kein Laut entkam ihren Lippen.
Elisabeth riss die Augen auf. Sie spürte, wie etwas auf ihren Mund gepresst wurde, konnte kaum atmen. War sie noch in ihrem Traum?
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Eine Gestalt stand über ihr und drückte ihr die Hand auf den Mund. „So sehen wir uns wieder, ma petite Elisabeth.“
Elisabeth erkannte die verhasste Stimme sofort – Gamelin! In Panik versuchte sie zu schreien, aber die sehnige Hand des Franzosen erstickte jeden Laut.
„Es hat keinen Sinn, mein Täubchen, du kommst mit uns!“
Gedanken rasten durch Elisabeths Kopf. Wie hatte er sie gefunden? Und wer hatte ihn ins Kloster gelassen und zu ihr geführt? Niemand wusste –
Dann bemerkte sie, dass jemand hinter Gamelin stand. Es war Alain. Zu seinen Füßen lag bewegungslos Johanna.
Gamelin beugte sich näher zu Elisabeth. „Ja, ganz recht, dein treuer Alain.“ Er grinste spöttisch.
Fassungslos sah Elisabeth Alain an. Dieser blickte ihr trotzig in die Augen. „Von euch Österreichern kann mir doch niemand helfen, frag deinen werten Herrn Pater, der hat dich schließlich vor mir gewarnt. Aber der Generalleutnant gewährt mir Amnestie und lässt mich nach Hause zurückkehren.“
Gamelin zerrte Elisabeth hoch. „So ist es. Und nun wird es Zeit, mein Täubchen – Turin erwartet dich.“ Er zog sie aus der Zelle, Alain schloss leise die Tür.
Drinnen begann Johanna, sich langsam zu regen.
Der Mond stand hoch über dem schlafenden Kloster. Es war still, nur im Kreuzgang ging eine einsame Gestalt ruhelos auf und ab.
Konstantin von Freising dachte an Elisabeth, an das, was sie ihm erzählt hatte. Wenn Johann noch lebte, würden sie ihn finden. Aber was dann?
Elisabeth gehörte zu ihnen, aller Wahrscheinlichkeit nach auch ihr Kind. Die Möglichkeit, dass sie ein gesundes Kind zur Welt bringen würde, war gering. Das letzte, Kajetan Bichter, war vor etlichen Jahrzehnten geboren worden. Seine Gedanken schweiften nach Tyrol, zu jenem schicksalhaften Dorf, in dem Bichter Pfarrer gewesen war und das sie vernichtet hatten.
Tyrol …
Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit. Vor seinen Augen formte sich das Bild eines abgeschiedenen Klosters in den Bergen. „Altmarienberg“, flüsterte der Jesuit unwillkürlich, das Wort verlor sich in der Stille des Kreuzgangs.
Plötzlich hörte von Freising ein Geräusch aus der Richtung des Dormitoriums. Das war ungewöhnlich, da noch nicht die Zeit des
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