Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
Auge“, das ihn getrieben hatte, und im Augenblick der Tat schien es rechtens zu sein. Aber in den Tagen danach, als er sich nach Westen durchgeschlagen hatte, hatte er die Geschehnisse ständig vor sich gesehen.
Wie konnte der Herr ihm das jemals verzeihen?
Und wie sollte er das Versprechen halten, das er gegeben hatte?
Lukas Holzner, du und die Deinen sollen nicht vergessen werden. Dafür werde ich sorgen, so wahr ich ein Jesuit und wahrer Mann Gottes bin .
Plötzlich hörte er hallende Schritte näherkommen. Er erkannte die Stimme der Äbtissin, dann die eines Mannes und die einer weiteren Person.
Er hörte genauer hin. Das konnte doch nicht –
Elisabeth fühlte sich unbehaglich, als die Äbtissin sie die steinernen Stufen hinabführte. Kalte, modrige Luft stieg von unten herauf, nach der Pracht der Kirche über ihnen glich dies einem Abstieg in die Unterwelt.
Als sie unten ankamen, sahen sie im flackernden Licht der Lampe, die die Äbtissin trug, steinerne Säulen, einige davon in sich gedreht und aus Marmor, und ein Gewölbe voller Särge. Die Krypta.
Die Äbtissin ging zwischen den Säulen hindurch zu einem kleinen, schmucklosen Altar, der in die Wand eingelassen war. Ein wuchtiges Kruzifix blickte auf den Altar herab – und auf die Gestalt, die mit dem Rücken zu ihnen reglos davor kniete, im Gewand eines Jesuiten.
Sie näherten sich der Gestalt, die sich langsam umwandte. Das Licht fiel auf ein Gesicht, das Elisabeth nur zu bekannt war.
Es war Pater Konstantin von Freising.
XL
„Pater von Freising!“ Glücklich umarmte Elisabeth den Jesuiten.
Er hielt sie einige Momente lang stumm in den Armen, dann trat er zurück. „Elisabeth, was um alles in der Welt machst du hier? Und wer ist dein – Begleiter?“ Er musterte Alain misstrauisch.
„Das ist Alain“, sagte Elisabeth. „Er hat mir geholfen zu fliehen.“
„So so, ein Franzose.“
Alain hielt dem durchdringenden Blick stand. „Ganz recht, Pater. Der Erzfeind.“ Er grinste unsicher.
Von Freising antwortete nicht. Er tauschte einen kurzen Blick mit der Äbtissin, die keine Reaktion zeigte, und wandte sich wieder Elisabeth zu. „Erzähl mir alles.“
Also erzählte Elisabeth zum zweiten Mal, was in Wien und am Semmering geschehen war.
Als sie geendet hatte, seufzte von Freising. „Erst von Pranckh, dann Gamelin. Das ganze Pack auf einem Haufen.“
„Ihr kennt ihn?“, fragte Elisabeth.
Von Freising nickte. „Man erzählt sich, er habe in Esslingen am Neckar eine junge Pfarrerstochter vergewaltigt, immer wieder, über Tage hinweg, bis seine Kompanie weiterziehen musste.“
Betroffen bekreuzigte sich die Äbtissin.
„Und ich habe erlebt, was er im Norden angerichtet hat. ‚Entfestigung der Städte‘ nannte man es, hab ich recht?“ Er musterte Alain.
Dieser wurde rot. „Es herrschte Krieg. Und den gewinnt man nicht mit Gebeten.“
„Ihr habt ganze Landstriche ausgerottet“, entgegnete von Freising ruhig.
„Euer Heer“, Alains Stimme wurde lauter, „hat oberhalb von Turin Ähnliches angerichtet, wie man hört.“
„Das führt doch zu nichts“, sagte die Äbtissin mit Bestimmtheit. „Wir haben wahrlich Wichtigeres zu besprechen!“
Von Freising lächelte kurz. „Du hast recht, Katharina, wie immer.“ Er blickte Elisabeth an. „Was hast du nun vor?“
„Das Wichtigste ist, dass ich Johann finde. Könnt Ihr mir dabei helfen?“
Von Freising schüttelte den Kopf. „Du vergisst, dass ich selbst in Ungnade gefallen bin. Ich habe den Kranken bei den Gruben beigestanden, auch wenn ich ihnen nicht das Leben retten konnte. Und mein Abt, der stets seine schützende Hand über mich hielt, ist tot. Es tut mir leid.“
Warum verschweigst du ihnen, was am Friedhof geschehen ist?
„Aber ich kann euch helfen“, sagte die Äbtissin. „Ich werde vertrauenswürdigen Brüdern und Schwestern in all unseren Klöstern und Hospizen die Nachricht zukommen lassen, wen wir suchen.“
Elisabeth blickte die Äbtissin an. „Das würdet Ihr tun?“
„Die Männer und Frauen der Kirche sind dazu da, die Bedürftigen und die Notleidenden zu schützen, und nicht dazu, sie im Namen des Herren zu morden.“ Sie sah von Freising an. „Und ich bin nicht die Einzige, die so denkt.“
Von Freisings Gesicht wurde starr. „Den Mann, von dem Ihr sprecht, gibt es nicht mehr.“
Sie trat näher zu ihm. „O doch, dieser Mann ist noch da. Der Mann, der noch nie jemanden im Stich gelassen hat, der seiner Hilfe bedurfte. Der Mann, dem die
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